Sa, 05. März 1983 – Dorfgeschichten

„Ruder hart Backbord, sonst kracht’s“

Nicht zum ersten Mal ist an dieser Stelle ein Auto mit lautem Getöse und höchst unfreiwillig auf dem Alten Friedhof in Müden (Örtze) zum Stillstand gekommen. Für die hier von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1961 zentral untergebrachten ehemaligen Dorfbewohner sorgen solche durchschlagenden Ereignisse für ein wenig Leben und Abwechslung im grauen Alltagstrott.

Hinweise auf Hohn, Spott, Schadenfreude, der sprichwörtlich erhobene Zeigefinger oder andere Unmutsäußerungen konnten allerdings nicht bestätigt werden.

Ich weiß nicht, wer hier die Kurve nicht gekriegt hat und deshalb von der schiefen Bahn abgekommen ist. Daher kann ich nur wild spekulieren. Aufgrund der damals üblichen KFZ-Modellpalette halte ich folgende Szenarien für wahrscheinlich:

War es der Fahrer eines Opel Manta B aus 3. Hand, dem sein frisch geföhnter Fuchsschwanz im ungünstigstem Augenblick die Sicht nahm?

War es der Fahrer eines nagelneuen BMW 320i, der den vollmundigen Versprechungen des Herstellers bezüglich der sicheren Straßenlage des Boliden zu sehr vertraute?

War es die Fahrerin eines frisch durch den TÜV gefallen Renault 5, bei dem ein auf der Fahrbahn liegender Dachsparren den Weg durch das böse durchgerostete Bodenblech in die Fahrerkabine fand und schließlich auch noch das Lenkrad blockierte?

War es die Fahrerin eines aufgemotzten Ford Capri, die hektisch im Fußraum die rettende Judas-Priest-Kassette suchte, weil sie das nervige Genöle von Nena („99 Luftballons“) auf NDR 2 nicht länger ertragen konnte?

Oder war es ein Zeitsoldat in „seinem“ kreditfinanzierten VW Golf GTI, der in 10 Minuten dringend in der Kaserne im 15 km entfernten Munster antreten musste, allerdings in der engen Linkskurve der Sandstraße das Duell mit der Fliehkraft verlor?

Wie dem auch sei. Für die Straßenbaubehörden bleibt festzuhalten, dass das Verkehrszeichen Nr. 103 mit dem linksbepfeilten Viertelkreisbogen („Ruder hart Backbord, sonst kracht's“) seiner erzieherischen Wirkung nicht in vollem Umfang gerecht wurde.

Nicht nur hier muss dringend nachgebessert werden, Herr Scheuer!

Die Carrera-Lösung mit der Steilkurve ist naheliegend, aber Radfahrer und Fußgänger bekommen ernsthafte Probleme die Mindestgeschwindigkeit von 70 Sachen zu erreichen und deswegen regelmäßig zur Innenseite der schiefen Bahn runter kullern.

Schon der geplante Looping auf dem Autobahnzubringer zum Freizeitpark erwies sich als eine weitere hochprozentige Scheuer-Schnapsidee. Ich hätte gerne die dummen Gesichter der Ingenieure des dafür ausgekungelten Planungsbüros gesehen!

Auch die sündhaft teure Planung mit dem Tunnel unter dem Friedhof dürfte durch die zu erwartenden Maut-Einnahmen auswärtiger Durchreisender nicht finanzierbar sein. Obwohl: Geldknappheit und ungelöste Rechtsfragen waren ja noch nie ein ernsthaftes Hindernis bei den Projektentscheidungen des nassforschen CSU-Verkehrsministers.

Ein neuer Zaun muss her!

Letztlich fördert so ein Missgeschick die lokale Wirtschaft und steigert das Bruttosozialprodukt, schließlich muss ein neues Stück Zaun das Gelände wieder fachgerecht vor unbefugtem Betreten schützen.

Aber warum braucht ein Friedhof eigentlich einen Zaun?

Niemand will rein, keiner kann raus!

Wer kann sachdienliche Hinweise zum Unfall in der Nacht zum 5. März 1983 machen?

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