Zapfenknabberer, Plüschmors und Co. – Fundstücke des Jahres 2023
Kristina Basenau und Jürgen Eggers – NABU Hermannsburg/Faßberg e.V.
Wegen der vermaledeiten Pandemie zog es Anfang der 2020er-Jahre ungewöhnlich viele Gäste aus geraden und ungeraden Breiten- und Längengraden zu uns aufs gar nicht so platte Land. Vollbärtige Großstadt-Hipster, angealterte Speckgürtel-Punks und größtenteils harmlose Provinz-Normalos durchstreiften an den Wochenenden in Kompaniestärke Heiden und Wälder.
Auch sonst mit der Natur wenig am Hut habende Schollentreue wurden zu Frischluft-Fans. Denn wer wachen Auges unterwegs ist, kann draußen viele «Micro-Abenteuer» erleben: Ein bizarr geformter Baum, wohlschmeckende Kräuter am Wegesrand oder den melancholischen Gesang der Heidelerche.
Und nun liebe Leute gebt fein acht, wir haben euch auch in diesem Jahr etwas mitgebracht …

Wer hat da am Fichtenzapfen geknabbert?
Februar: Der zur Adventszeit viel besungene Tannenzapfen ist meist der einer Fichte (Picea abies). Tannenzapfen stehen aufrecht am Zweig und zerfallen dort, wenn sie reif sind. Am Waldboden ist dann nur noch die Spindel zu finden.
Nur alle 3 bis 6 Jahre entwickelt die Fichte neue Zapfen, diese sind zunächst hübsch rosa gefärbt, dunkeln aber später nach. Die hängenden Fichtenzapfen öffnen nur bei trockenem Wetter ihre Schuppen, damit die Samen möglichst weit durch den Wind fort getrieben werden.
Die für den Baum nutzlos gewordenen Zapfen fallen später zu Boden. Kleinsäuger und Vögel, die mit den energiereichen Samen ihren winterlichen Speiseplan ergänzen, müssen also nicht einmal auf den grünen Zweig kommen. Typische Fraßspuren an den Zapfenresten verraten die Täter:
Mäuse sind sehr gründlich und nagen die Schuppen mit ihren winzigen Zähnen bis zum harten Strang ordentlich ab. Bleibt doch mal ein Rest übrig, war die Maus satt oder wurde gestört.
Die größeren Eichhörnchen reißen einfach einzelne Schuppen heraus und zerfransen den Zapfen. Sie lassen dabei immer ein paar Schuppen an der Spitze stehen.
Weil er keine Hände hat, klemmt der Buntspecht die Zapfen in eine Baumspalte ein und hackt dann mit seinem kräftigen Schnabel die nahrhaften Samen heraus. Eine Vielzahl aufgehackter Zapfen liegt dann unter seiner „Spechtschmiede“ auf dem Waldboden herum.

Foto: Jürgen Eggers
Der bei uns recht seltene Fichtenkreuzschnabel bringt mit seinen überkreuzten Schnabelspitzen ein perfektes Werkzeug zum Öffnen der Zapfen mit. Der rotbraun gefiederte Vögel brütet wenn das Nahrungsangebot groß genug ist, auch mitten im Winter.
Biologen, die sich mit der Bestimmung, Einteilung und den Verwandtschaftsverhältnissen von Arten auskennen, sind eine im Bestand abnehmende Spezies. Sie lächeln wahrscheinlich nur milde, wenn Kinder Maus, Eichhörnchen, Specht und Fichtenkreuzschnabel in die Gruppe der „Zapfenknabberer“ einsortieren.
Aus botanischer Sicht sind Zapfen nur die verholzten Blüten der Nadelbäume und nur die weiblichen Zapfen tragen Samen. Bei der Fichte sind die männlichen kleiner, wachsen aber am selben Baum. Übrigens: Die Früchte des Wacholders sind keine Beeren sondern auch Zapfen.
Plüschmors und Zottelhose
März: In vielen niedersächsischen Familien ist das erste Wort sehr bekannt: Plüschmors! Die kleinen, häufig gelb-schwarzen Hummeln (Bombus spec.) bekamen ihren Namen, weil ihr Popo so schön weich und fluffig aussieht.
Aber was ist nun die Zottelhose? Und was haben die beiden miteinander zu tun? Zuallererst haben sie beide einige volkstümliche Bezeichnungen. Die Hummel heißt auch: Brommhommler, Bummerl, Humm, Hummler, Bummel, …
Der Lerchensporn (Corydalis spec.) verbirgt sich hinter den Namen: Zottelhose, Gügarügü, Donnerwurz, Frauenschühchen, Rösli, Erdrauch, …

Foto: Kristina Basenau
Nun ist es so, dass der Lerchensporn – also die Zottelhose – zu den Frühblühern gehört und somit eine sehr beliebte Pflanze bei vielen Insekten ist. Gerne wird der Lerchensporn von Bienen und anderen Insekten angeflogen, welche das passend verlängerte Mundwerkzeug haben, denn nur sie kommen auf dem von der Blume vorgesehenen Weg an den Nektar.
Nun kommt aber die plüschige Hummel daher, hat nur ein kurzes Mundwerkzeug und kommt nicht auf dem regulären Weg an den leckeren „Treibstoff“ heran. Aber die kleine Plüschmors ist ja nun nicht dusselig und geht die Sache ganz frech von hinten an. Sie zwickt sich hinten am Sporn einfach ein Loch hinein, klaut den Nektar ohne für Bestäubung der Pflanze zu sorgen. Eine plietsche Schummelhummel ...
Ganz wunderbar kann man diesen diebischen Vorgang bewundern, wenn man sich auf einem Spaziergang an sonnigen Vorfrühlingstagen etwas Zeit nimmt und nach Lerchensporn Ausschau hält. Oft sind dann auch die ersten Hummeln nicht weit …
Asseln sind keine Feinschmecker nicht
März: In den feuchtkühlen Kellern alter Häuser siedeln oft kleine graubraune Tierchen. Die geselligen Burschen sind keine Insekten, sondern gehören zur Klasse der Krebse! Garnelen, Krabben und Hummer sind ihre nächsten Verwandten.
In den Jahrmillionen der Erdgeschichte sind sie irgendwann aus dem Wasser gekrabbelt und haben sich an das Landleben angepasst. Freilich nicht an das Landleben mit Schützenfest und schlechten Busverbindungen. Wo jemand mit Doktortitel, der weder eine Spritze geben noch eine Platzwunde nähen kann, schon mal skeptisch beäugt wird.
Zurück zum Thema: Die knapp 2 Zentimeter großen Krabbeltiere schützen sich mit einem panzerartigen Außenskelett, charakteristisch sind die gürtelförmigen Rückenschilde. Unter den Skelettplatten speichern Asseln einen Wasservorrat, denn sie atmen – wie es bei Wasserbewohnern gelebte Tradition ist – mit kiemenartigen Organen.
Das Wasser wird von Kapillarkräften durch die Furchen zwischen den Körpersegmenten auf den Rücken gezogen und zur Bauchseite geleitet. Über weitere Rinnen zwischen den Laufbeingelenken strömt die Flüssigkeit schließlich zu den Kiemen an den Füßen des Hinterleibs und versorgt die Organe mit Sauerstoff.
Echt raffiniert, was sich Mutter Natur da hat patentieren lassen. Mit diesem Trick können Asseln auch außerhalb des Wassers nach Belieben kreuchen und fleuchen.

Foto: Jürgen Eggers
Die Kellerassel (Porcellio scabor) ernährt sich von Algen, Pilzgeflechten, Spinneneiern, toten Insekten und Kot. Da die Nahrung im Darm nur teilweise verdaut wird, fressen Asseln ihren eigenen Kot mehrfach wieder auf, um die darin noch enthaltenden Nährstoffe zu verwerten.
Mit der Nahrung gelangen auch Sand und mineralische Bodenpartikel in den Darm, wo sie mit organischen Substanzen vermengt werden. Auf diese Weise verbessern die fein verteilten Ausscheidungen der vierzehnbeinigen Gliederfüßer wesentlich die Bodenfruchtbarkeit.
Mit allen Wassern gewaschene Waldläufer schwärmen von der Qualität der leicht zu jagenden Bodenbewohner als Nahrungsquelle für Notzeiten. Die proteinreichen Winzlinge sollen als Snack leicht fischig bis garnelig schmecken.
In Survival-Kursen sind die fetten Larven des Bockkäfers unter vermodernder Baumrinde mehr als ein Geheimtipp. Man sollte den leicht nussig schmeckenden Insekten immer zuerst den Kopf abbeißen, sonst beißen sie zurück!
Wer mehr den Geschmack von Hühnchen bevorzugt, sollte sich die massenhaft durch den Untergrund bohrenden Regenwürmer nicht entgehen lassen. Dazu einfach einen kleinen Stock in die Wiese stecken und darauf herum trommeln. Die alarmierten Würmer halten das Geräusch für Regen, der ihren sicheren Tod durch Ertrinken bedeuten würden. Also winden sie sich an die Oberfläche und können nun leicht geerntet werden.
Für Vegetarier bleibt noch die dünnne Wachstumsschicht unter der Borke von Kiefer, Birke und Linde. Bis zum Frühsommer lässt sich das zuckerreiche und noch feuchte Gewebe leicht vom Stamm abschaben.
Guten Appetit!
Hokus Krokus
März: … fidibus werden Sie jetzt denken! Und ja! Mir geht es in jedem Vorfrühling so. Da ist man noch mitten im Wintermonat Februar, denkt noch daran wie kurz die Tage gerade noch waren, plant schon, wie der Garten im Frühjahr gestaltet werden soll und plötzlich wird man von Farben überfallen! Da sind sie plötzlich wieder da! Krokusse (Crocus spec.), in herrlichsten Farben, in so vielen Lila-Tönen, leuchtendes Gelb ist auch dabei.

Foto: Kristina Basenau
Natürlich sind auch andere Frühblüher schon erwacht: Hamamelis, Schneeglöckchen, Winterlinge, Märzenbecher, Schlüsselblume, Blaustern, Huflattich und viele mehr. Doch die Krokusse sind irgendwie immer wie von Zauberhand plötzlich da, als hätte ein Zauberer sie in einem Augenblick aus dem Boden gezogen und ihnen gesagt: „Blüht! Blüht um die Wette und erfreut nach dem langen Winter Tiere und Menschen!“
So blühen und duften die Krokusse für die ersten Bienen um die Wette. Und die Insekten nehmen dieses erste Futterangebot mit Freuden an. Es summt und brummt fast schon ohrenbetäubend, wenn man mitten in einem Feld voller Krokusse stehen darf.
Der Duft ist mächtig, fast schon betörend, irgendwie unbeschreiblich und besser als jede Süßigkeit. Ich durfte dieses Gefühl in diesem Jahr auf einem unserer liebevoll gepflegten Höfe der Umgebung erleben.
Die Bilder, die dort entstanden, passen leider nicht alle in diesen Artikel, dafür aber noch einige Imker-Infos: Die Bienen des Hofes haben mit den Krokussen die Gelegenheit die ersten Larven der Saison mit neuen Leckereien zu füttern und bei gutem Angebot sogar noch etwas „beiseite zu legen“, also in den Waben zu lagern.
Die Bienen schaffen es an frühlingshaften Tagen so einige Waben zu füllen. Das ist besonders wichtig, falls noch einmal kalte Tage kommen und das Nahrungsangebot nicht mehr so reichhaltig ist, und der Imker die Winterfütterung fortführen muss.
Und genau für solche frostigen Tage haben viele Frühblüher einen Trick: sie haben einen Schutz eingebaut, der auf eine hohe Salz- oder Zuckerkonzentration beruht. Nur wenn es noch mal zu Kahlfrost (Frost ohne schützende Schneedecke) kommt, versagt dieser natürliche Schutzmechanismus. Doch ein Ass im Ärmel haben die Pflanzen noch. Durch die Art ihrer Wurzeln haben sie die Fähigkeit überschüssige Energie zu speichern und im nächsten Frühjahr wieder einen neuen Versuch zu starten. Und dann heißt es wieder: Hokus Krokus ….
Es geht weiter ...
Weitere Naturentdeckungen folgen alle paar Monate, sobald sie erlebt, fotografiert, aufgeschrieben, recherchiert, umgeschrieben, getextet, diskutiert, redigiert, gegengelesen, lektoriert und korrigiert sind.