Zapfenknabberer, Plüschmors und Co. – Fundstücke des Jahres 2023
Kristina Basenau und Jürgen Eggers – NABU Hermannsburg/Faßberg e.V.
Wegen der vermaledeiten Pandemie zog es Anfang der 2020er-Jahre ungewöhnlich viele Gäste aus geraden und ungeraden Breiten- und Längengraden zu uns aufs gar nicht so platte Land. Vollbärtige Großstadt-Hipster, angealterte Speckgürtel-Punks und größtenteils harmlose Provinz-Normalos durchstreiften an den Wochenenden in Kompaniestärke Heiden und Wälder.
Auch sonst mit der Natur wenig am Hut habende Schollentreue wurden zu Frischluft-Fans. Denn wer wachen Auges unterwegs ist, kann draußen viele «Micro-Abenteuer» erleben: Ein bizarr geformter Baum, wohlschmeckende Kräuter am Wegesrand oder den melancholischen Gesang der Heidelerche.
Und nun liebe Leute gebt fein acht, wir haben euch auch in diesem Jahr etwas mitgebracht …
Wer hat da am Fichtenzapfen geknabbert?
Februar: Der zur Adventszeit viel besungene Tannenzapfen ist meist der einer Fichte (Picea abies). Tannenzapfen stehen aufrecht am Zweig und zerfallen dort, wenn sie reif sind. Am Waldboden ist dann nur noch die Spindel zu finden.
Nur alle 3 bis 6 Jahre entwickelt die Fichte neue Zapfen, diese sind zunächst hübsch rosa gefärbt, dunkeln aber später nach. Die hängenden Fichtenzapfen öffnen nur bei trockenem Wetter ihre Schuppen, damit die Samen möglichst weit durch den Wind fort getrieben werden.
Die für den Baum nutzlos gewordenen Zapfen fallen später zu Boden. Kleinsäuger und Vögel, die mit den energiereichen Samen ihren winterlichen Speiseplan ergänzen, müssen also nicht einmal auf den grünen Zweig kommen. Typische Fraßspuren an den Zapfenresten verraten die Täter:
Mäuse sind sehr gründlich und nagen die Schuppen mit ihren winzigen Zähnen bis zum harten Strang ordentlich ab. Bleibt doch mal ein Rest übrig, war die Maus satt oder wurde gestört.
Die größeren Eichhörnchen reißen einfach einzelne Schuppen heraus und zerfransen den Zapfen. Sie lassen dabei immer ein paar Schuppen an der Spitze stehen.
Weil er keine Hände hat, klemmt der Buntspecht die Zapfen in eine Baumspalte ein und hackt dann mit seinem kräftigen Schnabel die nahrhaften Samen heraus. Eine Vielzahl aufgehackter Zapfen liegt dann unter seiner „Spechtschmiede“ auf dem Waldboden herum.
Der bei uns recht seltene Fichtenkreuzschnabel bringt mit seinen überkreuzten Schnabelspitzen ein perfektes Werkzeug zum Öffnen der Zapfen mit. Der rotbraun gefiederte Vögel brütet wenn das Nahrungsangebot groß genug ist, auch mitten im Winter.
Biologen, die sich mit der Bestimmung, Einteilung und den Verwandtschaftsverhältnissen von Arten auskennen, sind eine im Bestand abnehmende Spezies. Sie lächeln wahrscheinlich nur milde, wenn Kinder Maus, Eichhörnchen, Specht und Fichtenkreuzschnabel in die Gruppe der „Zapfenknabberer“ einsortieren.
Aus botanischer Sicht sind Zapfen nur die verholzten Blüten der Nadelbäume und nur die weiblichen Zapfen tragen Samen. Bei der Fichte sind die männlichen kleiner, wachsen aber am selben Baum. Übrigens: Die Früchte des Wacholders sind keine Beeren sondern auch Zapfen.
Plüschmors und Zottelhose
März: In vielen niedersächsischen Familien ist das erste Wort sehr bekannt: Plüschmors! Die kleinen, häufig gelb-schwarzen Hummeln (Bombus spec.) bekamen ihren Namen, weil ihr Popo so schön weich und fluffig aussieht.
Aber was ist nun die Zottelhose? Und was haben die beiden miteinander zu tun? Zuallererst haben sie beide einige volkstümliche Bezeichnungen. Die Hummel heißt auch: Brommhommler, Bummerl, Humm, Hummler, Bummel, …
Der Lerchensporn (Corydalis spec.) verbirgt sich hinter den Namen: Zottelhose, Gügarügü, Donnerwurz, Frauenschühchen, Rösli, Erdrauch, …
Nun ist es so, dass der Lerchensporn – also die Zottelhose – zu den Frühblühern gehört und somit eine sehr beliebte Pflanze bei vielen Insekten ist. Gerne wird der Lerchensporn von Bienen und anderen Insekten angeflogen, welche das passend verlängerte Mundwerkzeug haben, denn nur sie kommen auf dem von der Blume vorgesehenen Weg an den Nektar.
Nun kommt aber die plüschige Hummel daher, hat nur ein kurzes Mundwerkzeug und kommt nicht auf dem regulären Weg an den leckeren „Treibstoff“ heran. Aber die kleine Plüschmors ist ja nun nicht dusselig und geht die Sache ganz frech von hinten an. Sie zwickt sich hinten am Sporn einfach ein Loch hinein, klaut den Nektar ohne für Bestäubung der Pflanze zu sorgen. Eine plietsche Schummelhummel ...
Ganz wunderbar kann man diesen diebischen Vorgang bewundern, wenn man sich auf einem Spaziergang an sonnigen Vorfrühlingstagen etwas Zeit nimmt und nach Lerchensporn Ausschau hält. Oft sind dann auch die ersten Hummeln nicht weit …
Asseln sind keine Feinschmecker nicht
März: Manchmal brauchen wir nur aus der Haustür zu fallen, um etwas Interessantes zu entdecken. Denn nicht nur im Wald, sondern auch in den feuchtkühlen Kellern alter Häuser siedeln oft kleine graubraune Tierchen. Die geselligen Burschen sind keine Insekten, sondern gehören zur Klasse der Krebse! Garnelen, Krabben und Hummer sind ihre nächsten Verwandten.
In den Jahrmillionen der Erdgeschichte sind sie irgendwann aus dem Wasser gekrabbelt und haben sich an das Landleben angepasst. Freilich nicht an das Landleben mit Schützenfest und schlechten Busverbindungen. Wo jemand mit Doktortitel, der weder eine Spritze geben noch eine Platzwunde nähen kann, schon mal skeptisch beäugt wird.
Zurück zum Thema: Die knapp 2 Zentimeter großen Krabbeltiere schützen sich mit einem panzerartigen Außenskelett, charakteristisch sind die gürtelförmigen Rückenschilde. Unter den Skelettplatten speichern Asseln einen Wasservorrat, denn sie atmen – wie es bei Wasserbewohnern gelebte Tradition ist – mit kiemenartigen Organen.
Das Wasser wird von Kapillarkräften durch die Furchen zwischen den Körpersegmenten auf den Rücken gezogen und zur Bauchseite geleitet. Über weitere Rinnen zwischen den Laufbeingelenken strömt die Flüssigkeit schließlich zu den Kiemen an den Füßen des Hinterleibs und versorgt die Organe mit Sauerstoff.
Echt raffiniert, was sich Mutter Natur da hat patentieren lassen. Mit diesem Trick können Asseln auch außerhalb des Wassers nach Belieben kreuchen und fleuchen.
Die Kellerassel (Porcellio scabor) ernährt sich von Algen, Pilzgeflechten, Spinneneiern, toten Insekten und Kot. Da die Nahrung im Darm nur teilweise verdaut wird, fressen Asseln ihren eigenen Kot mehrfach wieder auf, um die darin noch enthaltenden Nährstoffe zu verwerten.
Mit der Nahrung gelangen auch Sand und mineralische Bodenpartikel in den Darm, wo sie mit organischen Substanzen vermengt werden. Auf diese Weise verbessern die fein verteilten Ausscheidungen der vierzehnbeinigen Gliederfüßer wesentlich die Bodenfruchtbarkeit.
Mit allen Wassern gewaschene Waldläufer schwärmen von der Qualität der leicht zu jagenden Bodenbewohner als Nahrungsquelle für Notzeiten. Die proteinreichen Winzlinge sollen als Snack leicht fischig bis garnelig schmecken.
In Survival-Kursen sind die fetten Larven des Bockkäfers unter vermodernder Baumrinde mehr als ein Geheimtipp. Man sollte den leicht nussig schmeckenden Insekten immer zuerst den Kopf abbeißen, sonst beißen sie zurück!
Wer mehr den Geschmack von Hühnchen bevorzugt, sollte sich die massenhaft durch den Untergrund bohrenden Regenwürmer nicht entgehen lassen. Dazu einfach einen kleinen Stock in die Wiese stecken und darauf herum trommeln. Die alarmierten Würmer halten das Geräusch für Regen, der ihren sicheren Tod durch Ertrinken bedeuten würden. Also winden sie sich an die Oberfläche und können nun leicht geerntet werden.
Für Vegetarier bleibt noch die dünnne Wachstumsschicht unter der Borke von Kiefer, Birke und Linde. Bis zum Frühsommer lässt sich das zuckerreiche und noch feuchte Gewebe leicht vom Stamm abschaben.
Guten Appetit!
Hokus Krokus
März: … fidibus werden Sie jetzt denken! Und ja! Mir geht es in jedem Vorfrühling so. Da ist man noch mitten im Wintermonat Februar, denkt noch daran wie kurz die Tage gerade noch waren, plant schon, wie der Garten im Frühjahr gestaltet werden soll und plötzlich wird man von Farben überfallen! Da sind sie plötzlich wieder da! Krokusse (Crocus spec.), in herrlichsten Farben, in so vielen Lila-Tönen, leuchtendes Gelb ist auch dabei.
Natürlich sind auch andere Frühblüher schon erwacht: Hamamelis, Schneeglöckchen, Winterlinge, Märzenbecher, Schlüsselblume, Blaustern, Huflattich und viele mehr. Doch die Krokusse sind irgendwie immer wie von Zauberhand plötzlich da, als hätte ein Zauberer sie in einem Augenblick aus dem Boden gezogen und ihnen gesagt: „Blüht! Blüht um die Wette und erfreut nach dem langen Winter Tiere und Menschen!“
So blühen und duften die Krokusse für die ersten Bienen um die Wette. Und die Insekten nehmen dieses erste Futterangebot mit Freuden an. Es summt und brummt fast schon ohrenbetäubend, wenn man mitten in einem Feld voller Krokusse stehen darf.
Der Duft ist mächtig, fast schon betörend, irgendwie unbeschreiblich und besser als jede Süßigkeit. Ich durfte dieses Gefühl in diesem Jahr auf einem unserer liebevoll gepflegten Höfe der Umgebung erleben.
Die Bilder, die dort entstanden, passen leider nicht alle in diesen Artikel, dafür aber noch einige Imker-Infos: Die Bienen des Hofes haben mit den Krokussen die Gelegenheit die ersten Larven der Saison mit neuen Leckereien zu füttern und bei gutem Angebot sogar noch etwas „beiseite zu legen“, also in den Waben zu lagern.
Die Bienen schaffen es an frühlingshaften Tagen so einige Waben zu füllen. Das ist besonders wichtig, falls noch einmal kalte Tage kommen und das Nahrungsangebot nicht mehr so reichhaltig ist, und der Imker die Winterfütterung fortführen muss.
Und genau für solche frostigen Tage haben viele Frühblüher einen Trick: sie haben einen Schutz eingebaut, der auf eine hohe Salz- oder Zuckerkonzentration beruht. Nur wenn es noch mal zu Kahlfrost (Frost ohne schützende Schneedecke) kommt, versagt dieser natürliche Schutzmechanismus. Doch ein Ass im Ärmel haben die Pflanzen noch. Durch die Art ihrer Wurzeln haben sie die Fähigkeit überschüssige Energie zu speichern und im nächsten Frühjahr wieder einen neuen Versuch zu starten. Und dann heißt es wieder: Hokus Krokus ….
Eingebürgerte Pflanzenfresser mit krimineller Energie
Mai: Herrliches Frühlingswetter, genug Regen in den vergangenen Monaten, die Natur startet voll durch: Überall frisches Grün. An einer lieblichen Partie an der Wietze oberhalb von Müden an der Örtze durchstreife ich eine alte Streuobst-Wiese direkt am Fluss.
Von weit her sehe ich einen kleinen Pulk Lebendiges auf mich zutreiben. Eine Familie Kanadagänse (Branta canadensis) fühlt sich hier heimisch und führt gerade den kaum zwei Wochen alten Nachwuchs aus: Ganter, Gans und drei Gössel erkunden ihr Revier. Ihre Brut beginnen die kräftigen Tiere Anfang April und nach vier Wochen schlüpfen die Küken, die von den Eltern aggressiv verteidigt werden. Fällt der Bruterfolg aus, werden Kanadagänse bisweilen zu Kriminellen und betreiben Kidnapping: Sie entführen fremden Nachwuchs! Ja, so „ungerecht“ geht es manchmal im Tierreich zu. Mutter Natur sorgt hier dafür, dass niemand ungewollt von der schiefen Bahn abkommt.
Ihre ursprüngliche Heimat sind die großen Seen in Nordamerika und sie sind gekommen, um zu bleiben. Die Entenvögel haben sich bei uns eingebürgert ohne den Dienstweg einzuhalten: Bei keiner Behörde wurde jemals ein formaler Antrag nebst beglaubigten Urkunden und Zeugnissen eingereicht. Sie haben sich ganz einfach selbst eingebürgert. So geht Bürokratie-Abbau!
Der Fachbegriff für hier heimisch gewordene tierische Neubürger lautet Neozoen. Ein magisches Wort, weil es von hinten und vorne gleich aussieht. Für die so titulierten Tiere trifft das in der Regel allerdings nicht zu. Okay, der Regenwurm würde die sprichwörtliche Ausnahme machen, aber er ist ja kein Neubürger, sondern durchwurmt seit Menschengedenken die oberen Bodenschichten.
Der Legende nach hat vor grauer Vorzeit eine neugierige Gans ihren Kopf tief in ein Tintenfass gesteckt und seitdem ist der lange Hals aller Nachkommen so tiefschwarz gefärbt. Warum aber an der Wangenpartie noch die weiße Grundierung unbenetzt blieb, bringt die Theorie doch arg ins Straucheln. Wie auch immer: Mit ihrem langen Hals können Kanadagänse Wasserpflanzen bis zu einer Tiefe von 75 cm anknabbern. Dazu schalten sie bisweilen auf die für Entenvögel typische Betriebsart «Köpfchen in das Wasser – Schwänzchen in die Höh’» um.
Casanova auf Reisen
Juni: Wenn die Tage länger werden und der Heimweg immer noch genauso lang wie immer ist, trifft man manchmal ungewöhnliche „Wildtiere“. Dieser Pfau (Pavo cristatus) war gerade auf Wanderschaft.
Sehr zielstrebig lief er die Landstraße zwischen Kompostanlage und Wildtierstation in Emhof bei Soltau entlang, mal links, mal rechts, mal mittig. Manchmal lief er auch im grasigen Randbereich und stillte seinen Appetit mit Insekten und anderen Leckereien. Zwischendurch ließ er seinen lauten Ruf erklingen und lauschte auf eine Antwort einer potentiellen Partnerin.
Je dichter er der Wildtierhilfe kam, desto ausdauernder wurde sein Rufen. Da ich mir die Zeit nahm ihn zu begleiten, konnte ich seinen abendlichen Ausflug gut beobachten.
Da mir bekannt war, dass die Wildtierstation auf meinem Weg diese Laufvögel beherbergt, hielt ich kurz und rief dort an. Die Mitarbeiterin berichtete mir eine interessante Geschichte: Das Tier war vor einigen Jahren auf der nahe gelegenen Kompostanlage eingezogen und war dort eine lange Zeit ganz zufrieden gewesen.
Doch in diesem Jahr ging er plötzlich auf Brautschau. So machte er sich mehrmals die Woche auf zur Wildtierstation um dort die Damenwelt zu besuchen. Zu blöd, dass die begehrten Damen schon Partner hatten, die nicht sehr begeistert über den Besuch des Charmeurs waren. Also wurde Casanova von den Herren des Hauses immer wieder vertrieben.
Aber Casanova wäre nicht Casanova, wenn er es nicht fast jede Nacht versucht hätte und so begegnete auch ich ihm in der für ihn sehr aufregenden Zeit. Leider kann ich nicht sagen, ob sein Werben Erfolg hatte oder er seinen recht abenteuerlichen und riskanten Weg heile überstanden hat. Aber wer weiß? Vielleicht sehen Sie ihn auch mal auf dem Weg zwischen Kompostanlage und Wildtierstation in unserem Nachbarlandkreis.
Sonnentaue sind trickreiche Überlebenskünstler
Juni: Die großen Kiesteiche bei Oldendorf haben sich nach dem Ende des Bodenabbaus zu einem wertvollen Lebensraum aus Menschenhand entwickelt. Auf einem Foto-Spaziergang haben wir dort bemerkenswerte Pflanzen entdeckt.
Anders als der Name vermuten lässt, dienen Sonnentaue nicht zur Fixierung bösartiger Asteroiden oder Kometen an unser Zentralgestirn, sondern sind so etwas wie unvegetarische Pflanzen mit exquisiten Nahrungsbedürfnissen.
Die meisten Landpflanzen brauchen zum Wachstum Dünger, den sie über das Wurzelwerk aus dem Boden aufnehmen. Brennnessel und Mais schlucken sogar übelriechende Güllespritzer, die bisweilen aus heiterem Himmel auf sie niederprasseln. Der Stinkstoff versorgt sie überreichlich mit Stickstoff.
Der Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) hingegen will gefüttert werden – Fleisch ist sein Gemüse! Die Mahlzeiten des Sonnentaus passen indes auf einen winzigen Teller, denn er kann nur Mücken, Fliegen und andere kleine Insekten fangen. Herrchen und Frauchen brauchen sich also keine Sorgen um das Wohlergehen von Pudel oder Dackel zu machen.
Die unter Naturschutz stehenden Pflanzen leben in extrem nährstoffarmen Moorgebieten und haben sich notgedrungen auf tierische Kost spezialisiert, um ihren Nährstoffbedarf zu decken. Nur wenige Pflanzenarten können in saurem Milieu der Hochmoore überleben: Torfmoose und Krähenbeere sind typische Vertreter. In Europa gibt es nur drei Sonnentau-Arten, die in die Schublade der „Fleischfressenden Pflanzen“ einsortiert werden.
Die zahnlosen Pflanzen müssen sich auf raffinierte Art durchs Leben beißen: Um der tierischen Nahrung habhaft zu werden, hat sich die Evolution für den Sonnentau eine pfiffige Jagdtechnik ausgedacht: die Fallenstellerei. Dazu sitzen an jedem Fangblatt ungefähr zweihundert kleine Tentakel aus denen eine süß duftende aber extrem klebrige Flüssigkeit austritt. Den scheinbar harmlosen „Tautropfen“ gehen leichtgläubige Insekten dann auf den Leim. Die Flüssigkeit verstopft die Atemöffnungen der Kerbtiere und sie ersticken letztlich.
Nach zwei Stunden krümmt sich das ganze Blatt ein, um die Beute an spezielle Drüsen in der Blattmitte zu bewegen. Diese scheiden eine Verdauungsflüssigkeit aus und lösen auf dies Weise die nährstoffreichen Weichteile des Insektes auf. Der Sonnentau saugt die Flüssigmahlzeit als „Insekten-Smoothie“ anschließend auf. Treffender wäre also die Bezeichnung „Fleischtrinkende Pflanze“.
Nach einigen Tagen öffnet sich das Blatt wieder und gibt den unverdaulichen Chitinpanzer seiner Mahlzeit wieder frei, den Wind oder Regen bald forttragen. Eine neue Jagdsaison ist eröffnet. Der hübsche Sonnentau kann also durchaus einer Fliege was zu Leide tun.
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Buchen, die nach Wasser suchen …
Juni: Dürre und Hitze der Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022 haben den Bewohnern unserer Wälder arg zugesetzt. Reh, Wildschwein und Fuchs konnten sich ein schattiges Plätzchen an einem Bach suchen. Die Immobilien des Waldes – unsere Bäume – müssen mit dem klarkommen, was vor Ort geboten wird, und da zählen ja bekanntermaßen drei Dinge: Lage, Lage und Lage.
Ein viel zu trockener Frühling und heiße Sommertage mit tropischen Sommernächten über viele Wochen. Viele Nadelbäumen hatten im Kampf gegen diese Standortbedingungen keine Chance und blieben auf der Strecke. Die Brot- und Butterbäume der Holzwirtschaft endeten massenhaft für einen Apfel und ein Ei in chinesischen Sägewerken.
Fichten benötigen viel Wasser, um damit genug Harz zum Schließen von Verletzungen an der Rinde zu produzieren. Auch tierische Eindringlinge – insbesondere der gefürchtete Borkenkäfer – werden durch das klebrige Sekret effektiv abgewehrt.
Aber wegen der Hitze und Dürre konnten sich die Larven des Borkenkäfer explosionsartig in der wasserleitenden Schicht des Stammens vermehren, diese zerstören und damit den Baum verdursten lassen. Aufmerksame Waldbesucher können das Rieseln der fallenden Nadeln hören – ein sehr trauriges Totenlied des nicht an den Standort angepassten und bei uns eingeführten Holzriesen.
Fichten, die natürlicherweise in den Mittelgebirgen wohnen, leiten die dort reichlich fallenden Niederschläge mit ihren nach unten gebogenen Ästen weit vom Stamm ab. Starker Schneefall würde die Äste sonst schnell abbrechen lassen.
Rotbuchen (Fagus sylvatica) leiten mit ihren nach oben ragenden Hauptästen das kostbare Regenwasser über die glatte Rinde am Stamm ins Erdreich und damit an ihre Wurzeln. Doch auch sie kommen nun an ihre Grenzen.
Wenn Bäume ihren Durst löschen, kann man das mit Hilfe eines Stethoskops im Frühjahr oder Sommer hören: Vorsichtig an den Baumstamm gedrückt, überträgt es die Geräusche vom Wasserfluss in den Baumadern als stetes Rauschen.
An heißen Sommertagen braucht eine große Buche bis zu 400 Liter Wasser. Als Abfallprodukt schenkt sie uns dafür 7 kg Sauerstoff und 9 kg Zucker.
Viele Berichte über den Zustand der Wälder fokussieren sich leider nur auf die Produktivität als Rohstofflieferant für Holz. Das ist in etwa so, als würde bei einer vogelkundlichen Kartierung das Ergebnis lauten: Auf einem Hektar Wald gibt es 2 kg Vogelfleisch.
Hüpferlinge mit musikalischem Talent
Juli: Jeden Sommer bin ich wieder fasziniert von diesen kleinen Wesen. An warmen Sommerabenden bezaubern sie uns auf Wiesen, in Hecken und an ungewöhnlichen Orten mit ihrem Konzert. Als Kinder waren wir oftmals unterwegs um diese kleinen Geschöpfe zu fangen und kurz in Gläsern zu beobachten. Ganz still saßen die Krabbler in den Behältern und fügten sich in ihr Schicksal.
Nie habe ich einen von ihnen in unseren Sammelbehältern musizieren sehen. Ließen wir die Grashüpfer auf ihrer Heimatwiese in Hermannsburg wieder frei, sprangen die Heuspringer mit großen Sätzen davon und begannen ihr Lied über die Wiese zu trällern.
Auch wenn ihr Gesang zur Paarung dient, er ist auch gleichzeitig ein Ruf, der den Grillen nur in Freiheit zu entlocken ist. Ausnahmen bilden hier sicherlich die gezüchteten Exemplare, die verschiedenen Haustierbesitzern als Futter dienen und im Fachhandel erhältlich sind.
Was mich aber besonders beeindruckt: in vielen Naturführern sind nicht nur Bilder der kleinen Meistermusiker zu finden, sondern zusätzlich genaue Beschreibungen ihrer Musik.
Jede Art hat ihre eigenen Musikstil, der an verschiedenen speziell ausgebildeten Körperteilen der Schrecken erzeugt wird. Diese Körperteile haben einen lustigen Namen: Stridulationsapparat, der meist aus Schrillkante und Schrillfläche besteht. Die Insekten bedienen ihre Werkzeuge ähnlich wie der Mensch einen Geigenbogen.
Die Töne, die sie damit erzeugen, werden von Schriftstellern für gewöhnlich als Zirpen beschrieben. Doch die Stimmenvielfalt der unterschiedlichen Grashüpfer ist so groß, dass sogar auf einer einzigen Wiese die unterschiedlichsten Konzerte offeriert werden.
Treten Sie doch mal eine kleine Konzertreise über die Wiesen ihres Wohnortes an! Nehmen Sie sich an warmen Sommerabenden Zeit und lauschen den Streichkonzerten der kleine Künstler! Ich bin mir sicher, Sie werden noch andere tolle Musiker hören.
Funkelnder Flugkünstler mit kleinem Revier: Blauflügel-Prachtlibelle
Juli: Die Blauflügel-Prachtlibelle (Calopteryx virgo) ist ein bemerkenswertes Insekt, das besonders durch die Färbung der Männchen auffällt: Körper und Flügel schimmern in der Sonne als hätte man ihnen eine blaugrüne Metallic-Lackierung spendiert. Die Flügel der Weibchen präsentieren sich hingegen durchscheinend bräunlich bis kupfern gefärbt. Wegen ihres langsamen Flügelschlags und der gaukelnden Flugbahn werden Prachtlibellen oft für Schmetterlinge gehalten. Die Insekten mit einer Flügelspannweite bis zu 7 Zentimetern zählen aber zu den Kleinlibellen.
Die Blauflügel-Prachtlibelle lebt bevorzugt an kleinen bis mittelgroßen Bächen mit relativ niedriger Wassertemperatur, einer ordentlichen Strömung und hohem Sauerstoffgehalt. Die Art dient als Bioindikator für eine gute bis sehr gute Gewässergüte und ist in Deutschland recht selten. Aber bei uns im Naturpark Südheide, an Örtze und Nebengewässern, noch oft anzutreffen.
Die räuberischen Insekten sind tagsüber aktiv und jagen in der Nähe ihres Gewässers. Sie warten geduldig auf vorbeifliegende Beute, die sie blitzschnell im Flug ergreifen. Die Männchen sitzen in ihren Revieren gerne auf erhöhten Ansitzpunkten wie Zweigen, Stängeln oder Gräsern, die über das Gewässer reichen, manchmal auch auf Steinen oder Totholz inmitten des Gewässers.
Der Aktionsradius beschränkt sich bei den Männchen zwischen 20 und 100 Metern. Die Weibchen hingegen wandern bis zu 4 Kilometer pro Tag. Auf den menschlichen Maßstab hochgerechnet bleiben die Männchen in einer Entfernung von 500 bis 2500 m stets im Dorf, während die Weibchen schon mal einen Ausflug ins 110 km entfernte Hamburg unternehmen.
Im Sommer sind die Flugkünstler leicht zu beobachten, da die Männchen ständig in ihren nur wenige Quadratmeter großen Revieren patrouillieren, um Konkurrenten zu vertreiben. Kommt dagegen ein Weibchen vorbei, wird es mit einem Schwirrflug begrüßt. Die Flügel bewegen sich dann so schnell, dass man fast nur einen breiten blauen Streifen in der Luft flackern sieht.
Nach erfolgreicher Paarung werden die Eier in den Stängeln von Wasserpflanzen abgelegt. Das Weibchen klettert dazu kopfabwärts am Pflanzenstängel unter den Wasserspiegel hinab und sticht die Eier in die Stängel ein. Das Insekt kann dabei sagenhafte 90 Minuten untertauchen ohne zwischendurch Luft zu holen!
Die Larven der Blauflügel-Prachtlibelle entwickeln sich über 10 bis 12 Stadien, zwischen denen jeweils eine Häutung erfolgt. Sie ernähren sich überwiegend von Mücken- und Fliegenlarven sowie von Flohkrebsen. Die Entwicklungsdauer der Larven im Wasser kann bis zu zwei Jahre dauern, während die erwachsenen Tiere dann nur noch 7 Wochen als flugfähige Insekten überleben.
Unser Auge lässt sich täuschen
August: An jedem Tag hat der Himmel für unsere Augen eine Farbe, von hell- bis dunkelblau sind alle möglichen Kombinationen dabei, aber eigentlich ist unsere Luft farblos. Warum also nehmen wir trotzdem Farben wahr? Für diesen Sinneseindruck sorgt ein Wechselspiel von Sonnenstrahlen und Molekülen der Luft. Wenn das Licht der Sonne unsere Atmosphäre erreicht, bewirkt es zusammen mit Sauerstoff und Stickstoff für unsere Augen eine Färbung des Himmels.
Im Physikunterricht wird dieser Effekt in der Optik genau beschrieben: das weiße Licht setzt sich aus verschiedenen Farben zusammen, die unterschiedlichen Wellenlängen entsprechen. Treffen nun diese Energiemuster auf die Moleküle unserer Luft, wird das Licht von seinem Weg abgelenkt. Je nach Wellenlänge unterschiedlich stark und so erscheint uns der Himmel zumeist blau, denn diese Energie wird am meisten gestreut.
Wie kommt es nun, dass vor allem in den Stunden von Sonnenauf- und Untergang die Farben sich in so herrliche Streifen von gelb, orange, rot, rosa und lila verwandeln? Zu diesen Tageszeiten muss das Licht einen viel weiteren Weg durch unsere Atmosphäre zurücklegen. Wenn Sie der Abendsonne entgegen schauen, dann erscheint sie rötlich-gelb.
Steht die Sonne am Abend ganz niedrig am Horizont, so muss das Licht eine wesentlich längere Strecke durch die Atmosphäre zurücklegen als am Mittag, wenn die Sonne steiler über uns steht. Blaues Licht hat eine kurze Reichweite, so dass in der abendlichen Konstellation viel weniger blaues Licht beim Betrachter ankommt als tagsüber. Rotes und gelbes Licht hingegen haben eine viel längere Reichweite, weshalb die Sonne und der Abendhimmel uns rötlich-gelb erscheinen.
Übrigens: Je feuchter die Luft ist, desto farbintensiver leuchtet der abendliche Himmel, da die Sonnenstrahlen zusätzlich an den Wassermolekülen gestreut werden.
Ringelnatter: Kleine Schlange ganz groß?
August: Eine kleine Tour um die Oldendorfer Kiesteiche. Es ist warm – sehr warm und auch ziemlich schwül. Etwa 20 Meter vor mir schlängelt sich ein schlauchförmiges Zappeltier im Kriechgang über den warmen Mollersand. Ich steige mit langsamen Bewegungen, möglichst unhektisch, vom Fahrrad ab und pirsche mich vorsichtig in tiefster Gangart an das Zielobjekt heran. Das durfte ich im Grundwehrdienst ausgiebig üben. Diesmal schiebe ich allerdings keine Knarre vor mir her, sondern eine Digitalkamera, aufmunitioniert mit einer geräumigen Speicherkarte. Platz genug für hunderte Schnappschüsse.
Als ich mich auf wenige Zentimeter der Ringelnatter (Natrix natrix) genähert habe, beginnt das Reptil zu züngeln. Weil ich das törichte künstliche Auslösegeklacker und -gezipper abgeschaltet habe, gelingen mir zahlreiche formatfüllende Schlangenportraits. Schließlich wird es der wechselwarmen Kreatur doch zu bunt und sie eilt im Schlangengalopp ins kühle Wasser des Kiesteiches.
Elegant schwimmt das giftzahnlose Natterngezücht mit erhobenem Kopf über die spiegelglatte Wasseroberfläche. Mit etwas schlechtem Willen und bei Verkennung der wahren Größenverhältnisse könnte ein nach Sensationen heischender Zeitgenosse damit prahlen „Nessie“ in der Lüneburger Heide ansichtig geworden zu sein. Ein „Beweisfoto“ der mythischen Krypto-Fauna ist ja auch echt und nicht manipuliert. Was ist glaubwürdiger als der eigene Augenschein?
Im Unterschied zur „echten Nessie“, die sich bislang einer wissenschaftlichen Inspektion erfolgreich entziehen konnte, sondern Ringelnattern bei Gefahr eine übelriechende Flüssigkeit ab. Das Totstellen geht so weit, dass die Zunge schlaff heraushängt und sogar Blut aus dem Maul heraus simmert.
Bei den legendären „Heideland-Games“ in Hermannsburg tauchte dann zwischen den Jahren 2012 bis 2017 eine weitere „Nessie“ aus Sperrholz und Kanistern auf, die von den schottenberockten Wettkampfteams möglichst geschwind über den Teich im Örtzepark gezogen werden musste. Muss die Geschichte um das sagenhafte Seeungeheuer in Teilen neu geschrieben werden?
Übrigens: Die geschützten Ringelnattern siedeln sich gerne in ökologisch intakten Gärten an. Ihre Eier legen sie oft im warmen Komposthaufen ab. Mit dem Froschgequake im Gartenteich ist es dann allerdings auch bald vorbei.
Wozu brauchen Bäume Schwimmringe?
August: Bei so vielen Ringen fragt sich natürlich nur, wo möchte der Baum wohl hinreisen? Ein Sprung in die Niagara-Fälle oder gar die 979 m des Salto Angel Wasserfalles? Wohl kaum! Aber zufällig stand diese Buche tatsächlich sehr nah am Wasser.
Auf dem Weg durch das Seetempel-Wäldchen bei Travemünde traf ich bei meiner kleinen Reise an die Ostsee diesen riesigen Gesellen an. Diese „Schwimmringe“ fühlten sich fantastisch an. Die Gedanken gingen von „Wellen des Lebens“, über „Falten vor Stress“ bis hin zu „der Atem des Waldes sichtbar gemacht“.
Meine Recherche ergab später, dass dieses Phänomen „Wimmerwuchs“ genannt wird und noch nicht abschließend erforscht ist. Leider wird diese Wuchsanomalie von Waldbesitzern oft als minderwertiges Holz eingestuft, da es für die meisten Produkte nicht stabil genug ist.
Doch es gibt auch ideenreiche Menschen, bei denen dieses besondere Holz sehr begehrt ist: Furnierholzmanufakturen, Drechsler, Musikinstrumentenbauer und andere Kunsthandwerker machen daraus wunderbare, individuelle Kreationen.
Die ersten Vermutungen gehen dahin, dass sich bei bestimmtem Extremwetter die Bäume verbiegen und in der Wachstumsschicht, dem Kambium, kleine Verletzungen verursacht werden. Nach einem Orkan richten sich diese Bäume wieder auf und wachsen fast normal weiter. Nur an den Stellen mit den Mikroverletzungen des Kambiums kommt es nun zu vermehrtem Wachstum um den Baum zu stabilisieren: der Wimmerwuchs wird langsam sichtbar.
Jahr für Jahr tritt diese geheilte Verletzung mehr hervor und irgendwann macht jemand ein Bild davon oder entdeckt es als wunderbaren Werkstoff.
Bittere Medizin aus der Apotheke der Bronzezeit
September: Bäume und Pilze sind in der Regel ein gut eingespieltes Team. Zwischen ihnen laufen komplexe Austauschprozesse: Der Baum nutzt das Sonnenlicht und betreibt damit Photosynthese. Er versorgt den Pilz mit Zucker, dieser bedankt sich mit Wasser und Nährstoffen wie Phosphat und Stickstoff.
Jede Baumart hat im Wurzelbereich ihren speziellen „Fußpilz“, deren ultrafeines Pilzgeflecht (Myzel) in die Wurzeln der Bäume hineinwachsen und auf diese Weise Stoffe austauschen können. Dass eine Lebensgemeinschaft zum gegenseitigen Vorteil als Symbiose bezeichnet wird, sollte zur Allgemeinbildung gehören.
Die Freundschaft zwischen Birke und Birkenporling (Piptoporus betulinus) ist allerdings sehr einseitig und nur zum Vorteil des Pilzes. Zwar will der Pilz nur das Beste vom Baum, nämlich seine Zellulose, aber er gibt im Gegenzug nichts zurück. Für die Birke ist er deswegen ein todbringender Parasit. Die Pilzsporen dringen meist über Abbruchstellen von Zweigen in den Baum ein. Hier verliert der Stamm später durch die Braunfäule seine Stabilität und knickt beim nächsten Sturm ab.
Viele Menschen schätzen den Birkenporling wegen seiner antibakteriellen und antibiotischen Wirkung als Vitalpilz. Zubereitet als Tee schmeckt er zwar sehr bitter, aber ihm wird eine Stärkung der Leber nachgesagt, was nicht als Alibi für hohen Alkoholkonsum taugt. Der Handel bietet Birkenporling-Tee in Pulverform für 30 bis 50 € je 100 g an. In dünnen Scheiben geschnitten leisten auch die Fruchtkörper gute Dienste als Bandagen zur Wundheilung.
Schon vor 5300 Jahren nutzten ihn die Menschen der Bronzezeit. Bei der berühmten Gletschermumie „Ötzi“ wurden 1991 zwei Birkenporlinge gefunden. Sein letzter Weg führte ihn damals durch die – wohl nach ihm benannten – Ötztaler Alpen. Ein Hochgebirge im Grenzgebiet zwischen Österreich und Italien.
Ötzi war im Jahr 3277 vor Christus ein beliebter Vorname. Freilich sind Namen immer auch ein Spiegel des Zeitgeistes, der gerne zeitgemäß angesprochen werden möchte: Im Jahr 1923 als Hans, Karl, Ursula oder Ilse. 1963 galten Sabine, Susanne, Thomas oder Michael als chic. Und 1981 waren Christian, Sebastian, Stefanie oder Katrin bei den Standesämtern angesagt. Der Birkenporling hingegen durfte seinen Namen wahrscheinlich seit der letzten Eiszeit behalten.
Alinda: Die Schnecke mit dem richtigen Dreh
September: Alinda biplicata, was für ein wohlklingender Name! Bei so manchem Tier erscheint der lateinische Name freundlicher als die Bezeichnung in anderen Sprachen. Vermutlich heißt diese hübsche, kleine Schnecke bei uns Gemeine Schließmundschnecke. So ergab es unsere Recherche, denn es gibt in Deutschland 27 nachgewiesene Arten von Schließmundschnecken und diese sind nur mit viel Übung zu unterscheiden. Bei der hoffentlich korrekten Bestimmung dieses kleinen Wesens haben wir uns an Aussehen und Fundort orientiert. Mehrere Merkmale zu nutzen ist bei der Bestimmung von solch kleinen Tieren durchaus hilfreich.
Eine Besonderheit dieser Schneckengruppe ist die Drehung des Gehäuses. Sie verläuft gegen den Uhrzeigersinn, also linksherum. Bei den meisten anderen Schneckenarten dreht sich das Haus im Uhrzeigersinn. Warum das so ist, konnten Wissenschaftler noch nicht klären, aber in Japan sind einige Forscher dem Rätsel auf der Spur! Sie haben es geschafft unter Laborbedingungen die Windungsrichtung des Hauses umzukehren. Damit haben sie sogenannte „Schneckenkönige“ geschaffen. Schneckenkönige haben ein Haus, welches spiegelbildlich zu seinen Artverwandten angelegt ist und nicht nur das: Auch die Organe sind bei ihnen spiegelbildlich gewachsen. In der Natur gibt es dieses Phänomen nur sehr, sehr selten und man kann sich glücklich schätzen einen König zu finden.
Doch noch faszinierender ist die Geburt von kleinen Alinda Biplicata-Kindern. Sie gehören zu den wenigen Schneckenkindern, die nicht aus Eiern schlüpfen, sondern tatsächlich lebendgeboren werden! Zu diesem Zeitpunkt haben sie noch nicht die für diese Art typischen Gehäuserippen, die auch auf dem Bild zu erkennen sind. In der Übersetzung aus dem Lateinischen bedeutet Biplicata „gefaltet“, was bei genauer Betrachtung der Schnecke auch passend ist. Bemerkenswert ist, dass Schließmundschnecken nur 1 bis 11 Junge bekommen und daher nur recht schwer zu finden sind.
Wegen ihrer Seltenheit ist die Gemeine Schließmundschnecke zum Weichtier des Jahres 2010 ernannt worden. Und mit ihrer Größe von nur 16 bis 18 Millimetern in ausgewachsenem Zustand auch wahrlich kein Riese. Diese Schnecke bewohnt am liebsten schattige und feuchte Lebensräume, meist Wälder oder auch Felsen und Mauern. Jeder Gärtner kann sich freuen, wenn er dieses kleine Weichtier in seinem Revier findet, denn Alinda Biplicata ernährt sich ausschließlich von Algen, Bakterienrasen, Pilzen und den verschiedensten welken oder faulenden Pflanzenteilen.
Mit welchem Namen würden Sie nun dieses besondere kleine Wesen ansprechen? Gemeine Schließmundschnecke oder Alinda Biplicata? Für uns könnte es auch die berühmte, italienische Cellistin Alinda Biplicata sein, die bei einer Aufführung von Johann Sebastian Bachs Suite für Cello Nr. 1 in G-Dur in der Elbphilharmonie das Publikum verzückt.
Urtümliche Moose mit extremer Kondition
Oktober: Bei einem herbstlichen Waldspaziergang sehen wir überall bunte Lebendigkeit und Vergänglichkeit: Laub in herrlichen Gelb- und Rottönen. Vitale Bäume, ehrwürdige Baumgreise und lebenspendendes Totholz. Und der Waldboden präsentiert sich uns in erdigen Brauntönen mit kleinen Inseln aus grünem Moos. Entspannung pur!
Vor gut 400.000.000 Jahren haben sich aus Grünalgen der Gezeitenzone erste Moose am Land neuen Lebensraum erschlossen. Erst 200.000.000 Jahre später trampelten tonnenschwere Dinosaurier auf Fauna und Flora des Erdmittelalters herum.
Die primitiven Moospflanzen besitzen kein Stützgerüst, sind konkurrenzschwach und müssen auf Extremstandorte ausweichen, um nicht von anderen Pflanzen überwuchert zu werden. Nackter Fels, Baumrinde und Waldboden sind typische Biotope. Nährstoffe nehmen sie hauptsächlich über Regen und Nebel auf. Sie kommen auch mit extremen Umweltbedingungen klar: Einige Arten überleben sehr viele Jahre völlig ausgetrocknet oder sogar eine Tiefkühlung von -196 °C mit flüssigem Stickstoff!
An einem schmalen Küstenstreifen am Pazifik verdanken Baumriesen den Moosen ihr Überleben: In diesem Teil Kaliforniens gibt es wenig Regen aber viel Nebel, der von den Moosen am Baum aufgefangen wird. Hat das Moos seinen Durst gestillt, fließt das überschüssige Wasser am Stamm herunter und versorgt das Wurzelwerk von Mammutbaum, Küstenkiefer und Co. regelmäßig mit Wasser. Die Bäume bringen die Moose zum Licht und die Moose bedanken sich mit Wasser – so geht Symbiose!
Moose wurden früher vielfältig genutzt. Am Stamm von Buchen wächst oft das Zypressenschlafmoos (Hypnum cupressiforme) mit welchen Matratzen und Kissen befüllt wurden. Bis zum 1. Weltkrieg diente das Echte Weißmoos (Leucobryum glaucum) als Wundverband. Es ist saugfähig und enthält Substanzen, die antibakteriell wirken.
In vielen Gärten zwischen Niebüll und Sonthofen ist Moos nur selten eine gern gesehene Bereicherung der heimischen Rasenflora. Besonders der Sparrige Runzelpeter (Rhytidiadelphus squarrosus) verdrängt den heißgeliebten Einheitsrasen. Er verträgt viel Dünger und das Vertikutieren verschafft ihm Licht und Luft zum üppigen Gedeihen. Sein Bruder, das Zottige Zackmützenmoos (Racomitrium lanuginosum), ist zwar nicht so verbreitet, überzieht dafür aber im Schwarzwald ganze Blockhalden mit einer eisgrauen Decke.
Im fernen Japan sind Moosgärten hingegen sehr beliebt und hoch angesehen. Der Teppich aus weich fließenden Formen in unterschiedlichen Grüntönen wirkt beruhigend und regt zum Meditieren an. Heute findet man diese Gärten in kleinen Formaten – auch bei uns in Hermannsburg – an Wänden von Arztpraxen oder Apotheken. Moosbilder verbessern das Raumklima durch die harmonisschen Farben und ihre Wasserspeicherfähigkeit.
Leider lassen sich viele Häuslebauer lieber eine nur scheinbar pflegeleichte Weißkiesel-Mondlandschaft aus dem Baumarkt-Prospekt in den Vorgarten kippen.
Übrigens sind Schottergärten illegal! Bereits im Mittelalter wurde das weiche und saugfähige Moos gerne von Adel, Landsknechten und Gesinde als Toilettenpapier verwendet.
Fast 600 Jahre nach Erfindung des Buchdrucks ist Papier heute noch dafür das bevorzugte Material. Bei Verzicht der Beimengung von Druckerschwärze könnte sogar die „Bild“-Zeitung hierzu, ohne schädliche Nebenwirkungen auf Umwelt und Erwachsenenbildung, sinnvoll endgenutzt werden.
Dunkler Hallimasch: der leuchtende Gigant
Oktober: Der Dunkle Hallimasch (Armillaria ostoyae) ist ein holzbewohnender Blätterpilz und bildet vom Frühsommer bis in den Spätherbst seine Fruchtkörper. Er besiedelt sowohl lebende als auch kürzlich gestorbene Nadelbäume. Das Bild entstand am Weesener Bach, in einem kleinen Waldstück mit Kiefern. Allerdings waren nur einige Bäume erkennbar mit dem Hallimasch befallen. Geschwächt durch die sehr warmen, trockenen Sommertage der letzten Jahre fällt es den Bäumen zunehmend schwer sich gegen einen solch starken Gegner zu wehren. Die Niederlage des Baumes ist für manch einen Waldläufer erst zu sehen, wenn sich die Fruchtkörper gebildet haben: Die Borke bricht auf und der Pilz zeigt sich mit seinem hübschen Hut.
Die Oberfläche des Hutes ist fleischfarben bis rötlich braun und mit dunklen, abwischbaren Schüppchen bedeckt. Die Entfaltung der Hüte bezeichnet der Pilzkenner als Aufschirmen. Mich erinnert das Wort an das Öffnen eines Regenschirmes, wie es so fantasievoll von Fritz Baumgarten in vielen Kinderbüchern gezeichnet wurde.
Der Hallimasch ist in unserer Gegend der einzige leuchtende Pilz, der die Fantasie mancher Geschichtenerzähler anregt. Das Myzel kann mit Hilfe biolumineszenter Prozesse ein schwaches Licht erzeugen. Damit ist dieser Pilz im Dunkeln unverwechselbar und von Feinschmeckern sogar in der Nacht zu finden, sollten unverhofft Gäste eintreffen.
Der angenehme Geruch des Hallimasches lässt auch den Rückschluss zu, er sei ein bekömmlicher Speisepilz. Das trifft bei ihm aber nur bei korrekter Zubereitung zu: Die Garzeit sollte mindestens 8 Minuten betragen. Auch wird er nicht von jedem Menschen vertragen und löst dann grippeähnliche Symptome aus. Wie alle Hallimasch-Arten ist er roh unbekömmlich und brechreizerregend.
Der Forstwirt ist kein Freund des Leuchtpilzes, weil er als Holzzersetzer eine Bedrohung für geschwächte Wälder sein kann. In der Schweiz wurde im Jahr 2004 der größte Hallimasch Europas entdeckt. Sein Myzelnetz erstreckt sich über eine Fläche von 35 Hektar! Größer ist nur ein Hallimasch in den USA mit ungefähr 965 Hektar, womit er nach jetzigem Kenntnisstand der größte Pilz der Erde ist. Damit ist das Myzel ungefähr mit der Fläche von Lauenburg an der Elbe vergleichbar. Bleibt also nur zu überlegen, wen sie lieber besuchen möchten.
Efeu ist Klettermaxe, Gesundmacher und Saubermann
November: Man muss nicht weit gehen, um ihn zu entdecken. Der Gemeine Efeu (Hedera helix) macht sich in unserer Kulturlandschaft ziemlich breit, denn das immergrüne Klettergehölz überwuchert gerne flächendeckend den Boden, wo es nicht zu sonnig oder zu feucht ist.
Efeu ist berühmt und berüchtigt für sein Kletterverhalten. Erreicht die auch treffend als Baumwinde bezeichnete Rankpflanze irgendwann einen Baum, Zaun oder eine Mauer geht das Wachstum in der Vertikalen weiter. Mit seinen Haftwurzeln kann er in Höhen von über 30 Meter emporklettern. Übrigens: Der Efeu schadet dem bewachsenen Baum nicht, denn seine Haftwurzeln können keine Nährstoffe aufnehmen. Außerdem wäre es töricht den Baum zu töten, bringt er den Efeu doch ans Licht, um Photosynthese zu betreiben und zusätzlich Schadstoffe aus der Luft filtern.
In seiner Jugend zieren ihn die typisch handförmig gelappten Blätter. Später im blühfähigen Alter wachsen eiförmig ungelappte Blätter. Der Efeu hat es nicht eilig und blüht erst im Herbst. Bienen, Wespen und Schwebfliegen dient er dann als wichtige Nahrungsquelle. Seine Beeren reifen zwischen Januar und April, diese vegetarische Kost wird von Vögeln gern gefressen. Dichte, alte Efeubestände an Hausfassaden bieten Amsel, Fink und Spatz sichere Nistmöglichkeiten und schützen vor großer Hitze.
Zwar sind alle Pflanzenteile giftig, aber Zubereitungen aus Efeublättern eignen sich als Hustenlöser, wenn sie niedrig dosiert sind. Wegen der enthaltenen Saponine kann Efeu als pflanzliches Waschmittel für eine saubere Weste sorgen: Dazu einfach zehn Blätter in ein Wäschenetz geben und ab damit in die Waschmaschine. Etwas Waschsoda verstärkt die Wirkung. Die Pflanze hat in verschiedenen Kulturen symbolische Bedeutungen. In der Antike galt sie als Symbol für Treue und ewiges Leben. Die Griechen trugen im Altertum bei festlichen Gelagen Efeukränze, weil die Blätter als gehirnkühlend galten. Auch für Hitzköpfe der Neuzeit dringend zu empfehlen!
Schmutzbecherlinge sind bei Regen guter Dinge
November: Was für ein Name! Da könnte man doch glatt auf die Idee kommen, diesen Pilznamen als schlagkräftiges Schimpfwort zu benutzen und sich damit bei einer Begegnung mit einem unhöflichen Menschen zu verteidigen!
Einige merkwürdige und lustige Pilznamen sind dafür besonders geeignet, oder möchten sie als Bitterer Schleimkopf, Behangener Düngerling oder Blutroter Hautkopf angesprochen werden? Mit dieser Wortwahl lässt sich vielleicht die ein oder andere unliebsame Begegnung entschärfen, da solche Namen zumindest bei uns erstmal Verwunderung und Erstaunen auslösen würden.
Tatsächlich ist der Gemeine Schmutzbecherling (Bulgaria inquinans) ein eher unscheinbarer Pilz. Als Bewohner von Bäumen lebt er vor allem auf relativ frisch gefallenen Stämmen und Ästen von Eichen, selten auch Hainbuche, Esskastanie oder Ulme.
Den Becherling finden wir genauso faszinierend wie den Goldgelben Zitterling, denn nur bei ausreichend Feuchtigkeit ist sein Fruchtkörper leicht zu finden. Dann ist die Konsistenz gallertartig und er fasst sich ähnlich an wie Wackelpudding: glibberig-feucht, aber schwer zu zerdrücken. Lässt man ihn los, nimmt er wieder fast seine ursprüngliche Gestalt an. Bei Trockenheit ziehen sich die Fruchtkörper zusammen und werden hornartig hart. So wie die Feuchtigkeit zurückkehrt, quellen die Pilze wieder auf. Streicht man über die Innenseiten reifer Fruchtkörper färben sich die Finger dunkel und so erklärt sich sein deutscher Name.
Von September bis März kann man den Gemeinen Schmutzbecherling in älteren Mischwäldern aufspüren. Allerdings braucht man dazu ein gutes Auge, denn der Pilz ist nur weniger als 3 cm groß. Und was wir ungewöhnlich finden: Er ist bislang der einzige, entdeckte Pilz der Gattung Bulgaria.
Flechten, die kleinen Farbkünstler
Dezember: Manchmal wirkt der Winter wie eine graue Decke. Wenige Farben lassen einige Menschen in traurige Stimmungen verfallen. Auch sind in Zeiten der klimatischen Veränderungen langanhaltende Wetterlagen dabei, die zusätzlich auf das Gemüt drücken. Doch wer mutig dunklen, kurzen Tagen trotzt und sich in die Natur begibt, wird bei genauem Betrachten entdecken, dass es dennoch nicht so trist und grau ist!
Pilze, Moose und Flechten leuchten um die Wette. Je trüber und feuchter das Wetter, desto schöner und klarer die Farben. Bei einem Winterspaziergang entdecken wir die Farbenpracht der Flechten. Und das ist nicht das einzig bemerkenswerte. Immer wieder sind Forscher weltweit fasziniert von ihren Fähigkeiten. Früher wurden sie zu den Pflanzen gezählt, doch neuere Erkenntnisse haben sie dem Reich der Pilze zugeordnet. Als „Doppelorganismus“ besteht die Flechte entweder aus einem Pilz und Cyanobakterien oder aus einem Pilz und einer Alge.
In Deutschland gibt es rund 1700 Arten, von denen nur noch 7 % als häufig gelten. Viele Arten sind auf spezielle Lebensräume, wie z.B. alte Wälder, Magerrasen oder Moore, angewiesen. Ein weiterer Grund für ihre Seltenheit ist die Anreicherung von Schadstoffen in ihren Zellen, da sie Nährstoffe nur über Regen und Luftfeuchtigkeit aufnehmen. Durch ihren Aufbau sind Flechten nicht in der Lage aufgenommene Gifte wieder auszuscheiden. Sie sind somit auch ein Zeiger für Veränderungen der Luftqualität.
Als vor etlichen Jahren in Sibirien nach Atomversuchen die Rentiere stark belastete Rentierflechten gefressen haben, sind unzählige Tiere an Knochenschwund gestorben. Auch heute noch sind manche Pilze und Flechten durch verschiedene Umweltgifte stark belastet.
Je sensibler die Flechtenart, desto seltener ist sie zu finden. Sie gehören zu den am stärksten bedrohten Organismengruppen Europas. Durch den steigenden Stickstoffeintrag, Schwermetalle und Pflanzenschutzmittel sind sie stark gefährdet.
Auch das langsame Wachstum macht Flechten nicht so durchsetzungsstark gegenüber Pflanzen, die schneller wachsen und sie überwuchern würden. Auf Bäumen stehen Flechten in Konkurrenz mit den schneller wachsenden Moosen.
Weitere Gefährdung geht von Menschen aus: viele wissen nicht, dass ein Großteil der Flechten geschützt ist und so werden sie häufig aus Unwissenheit entfernt. Weitere Ursachen sind: Vernichtung der Lebensräume, Luftverschmutzung, Eutrophierung, Reinigung von alten Gebäuden, kommerzielles Sammeln, etwa für Gärtnereien und Dekozwecke, Abtorfung von Mooren, mangelndes Wissen bei Behörden über die geschützten Arten.
Auf Flechten spezialisierte Biologen (Lichenologen) weisen auf ein weiteres Problem der Flechten hin: diese Organismen sind auch im Winter aktiv. Daher sammeln sie dann in den häufig auftretenden Inversionswetterlagen weiterhin Luftschadstoffe, die zu einem schnelleren Niedergang der Flechten führen.
Wirklich bemerkenswert ist die Fähigkeit mancher Flechtenarten in eine Art Trockenstarre zu fallen. Wenn die Bedingungen besser werden, erwachen sie wieder zum Leben. Genauso haben wir es bei unserem Spaziergang in der kalten, grauen Jahreszeit empfunden: Die Vielfalt der Farbtöne bringt uns die gute Laune zurück. Wir sind aus der Lethargie der grauen Tage erwacht!
Die Krähe ist besser als ihr Ruf
Dezember: Haben wir da auf der Wiese einen Raben oder eine Rabenkrähe gesehen? Nach welchen Merkmalen können wir sie unterscheiden? Nun, die Rabenkrähe hat einen dunklen Schnabelansatz und ist mit einer Größe von 47 cm deutlich kleiner als der Kolkrabe mit bis zu 67 cm und langen Federn an der Kehle.
Warum haben die Vögel bei uns einen so schlechten Leumund? Liegt es an den mittelalterlichen Legenden über den „Galgenvogel“ während der Pestepidemien? Hat Alfred Hitchcock mit seinem 1963 gedrehten Thriller „Die Vögel“ dazu beigetragen? Oder die morbide düsteren Geschichten eines Edgar-Alan Poe?
Tatsächlich sind die unbescholtenen Krähen sehr nützliche Tiere: Sie fressen menschlichen Abfall, der sonst Wanderratten anziehen würde. Sie beseitigen Aas und tragen damit den Titel „Gesundheitspolizei“ zu Recht. Krähen zeigen ein ausgeprägtes Sozialverhalten und kümmern sich auch schon mal um andere Jungkrähen. Die intelligenten Tiere zeigen Wölfen den Weg zu Tierkadavern und können sich dann sicher in der Nähe von Isegrims Familie aufhalten.
Krähen sind sehr intelligente Vögel und können komplexe Probleme lösen. Sie kommunizieren miteinander über Laute und Körpersprache. Auch können sie menschliche Sprache und andere Geräusche imitieren. Mit ihrem beeindruckenden Langzeitgedächtnis können sie sich an Orte und Gesichter erinnern. Wenn eine Krähe negative Erfahrungen mit einem Menschen gemacht hat, wird sie ihn über einen längeren Zeitraum erkennen und meiden.
Krähen spielen mit Gegenständen, jonglieren mit Nüssen oder vertreiben sich die Zeit bei einer Runde Fangspiele mit anderen Artgenossen. In Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass Krähen Werkzeuge benutzen und sogar herstellen können: Um an Fleisch in einem engen Glaszylinder zu kommen, nahm eine Krähe einen Metalldraht zur Hilfe. Aber das Fleisch rutsche immer wieder am glatten Metall ab. Daraufhin bog die Krähe das Ende des Drahtes mit ihrem Schnabel zu einem Haken und konnte das Fleisch aus dem Behältnis herausangeln und fressen. Erstaunlich!
Auch mehr als 33 Jahre nach der Vereinigung bleibt Deutschland geteilt: Östlich der Elbe lebt hauptsächlich die Nebelkrähe (Corvus cornix). Ihre Brüder und Schwestern im Westen sind die Rabenkrähen (Corvus corone). Wessi- und Ossikrähe werden liebevoll als Aaskrähe bezeichnet.
Nachtigall und Amsel gehören dank ihres melodischen Gesangs zu den bekanntesten Singvögeln im Tierreich. Aber auch Eichelhäher und Krähen mit ihren krächzenden Rufen sind würdige Vertreter dieser Gruppe. Wäre es nicht folgerichtig auch Westernhagen und Grönemeyer den Singvögeln zuzuordnen? Vielleicht ist der Gesang der prominenten deutschen Goldkehlchen in Wirklichkeit viel besser, als er sich anhört?
Zapfenknabberer, Plüschmors und Co. – Fundstücke des Jahres 2023 (PDF 4 MB)