Röhrenspinne, Zitterling und Co. – Fundstücke des Jahres 2020
Kristina Basenau und Jürgen Eggers – NABU Hermannsburg/Faßberg e.V.
Der Naturraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2020. Dies sind die kleinen Entdeckungen zweier naturverbundener Menschen aus dem Norden des Naturparks Südheide, die zwölf Monate lang unterwegs waren, um interessante Gebiete zu entdecken, neues Leben und neue Erfahrungen.
Begleiten Sie uns auf eine Reise zu den kleinen Fundstücken in der Natur.
Was für ein Monat!
Januar: Zeit, inne zu halten und sich dem langsamen Tempo der Natur anzupassen. In diesem Monat findet immer unsere Zählung der Wintervögel statt und wer viel spazieren geht und vielleicht auch mit Fernglas oder Kamera ausgestattet ist, kann überwinternde Gäste bei uns beobachten.
Auf unserem Bild sind Singschwäne (Cygnus cygnus) bei Eversen zu sehen, die gemächlich das Feld nach Futter absuchen oder ihre Streitigkeiten lautstark und mit Nachdruck austragen.
Durch den Klimawandel ziehen manche Vögel nicht mehr so weit und so kommt es, dass auch wir diese beeindruckenden Tiere beobachten können.
Meine Tochter und ich sind jedes Jahr wieder begeistert von den verschiedenen Tönen der Singschwäne, ihrer genauen Beobachtungsgabe und dem sozialen Umgang miteinander.
Als NAJU-Teenie hat sie auf YouTube eine schöne Doku entdeckt. Unter den Suchbegriffen „Singschwan, Naturbursche“ möchten wir euch einladen unsere neuen Gäste zu erforschen. Natürlich gibt es auf der NABU-Seite auch ein Artenporträt. Ansonsten kann man die Singschwäne in unserem Landkreis an mehreren Stellen beobachten, oft auch an unseren Kreisstraßen bei der Futtersuche.
Strukturen im Totholz
Februar: Beim Spaziergang im Regen entdecken wir an einer vom Sturm umgebrochenen Kiefer bizarre Strukturen im Totholz.
Holz ist ein chemisch sehr komplexes Material und besteht im wesentlichen aus Zellulose und Lignin. Einige Pilze können Holz effektiv zersetzten. Der Abbau dauert je nach Feuchtigkeit und Temperatur einige Jahrzehnte.
Wichtig sind zunächst bohrende Insekten und Spechte. Sie ermöglichen holzzersetzenden Pilzen und Bakterien Zugang in das harte Material. Eine gesunde Baumrinde ist für Pilze und Insekten meist eine unüberwindbare Barriere.
Am Ende bleibt von einem Baumstamm nur fruchtbare Erde übrig. Pilze recyceln also Holz und stellen die mineralischen Bestandteile wieder als verwertbare Stoffe dem ökologischen Kreislauf zu Verfügung. Sie schaffen so die Nährstoffgrundlage für die folgenden Pflanzengenerationen.
Goldauge sei wachsam!
Februar: Amphibienwanderung ist jedes Jahr ein Thema unserer NAJU: sie helfen beim Aufbau und Abbau der Zäune und bringen am Morgen (oft am Wochenende wegen Schule) die Tiere sicher über die Straße. Natürlich wird gezählt wie viele Tiere von jeder Art täglich gerettet werden.
Neugierig testen die NAJUs auch mal bei der ein oder anderen Kröte, welches Geschlecht sie gerade gerettet haben. Es ist immer wieder ein tolles Erlebnis, wenn die Männchen ihren Warnruf von sich geben und plötzlich ganz agil mit den Hinterbeinen die Hände abwehren.
In den letzten Jahren haben sich auch einige Arten bereits im Februar auf den Weg gemacht, andere Arten vertrauen ihrer inneren Uhr und stehen nicht so früh auf. Damit beginnt die Wandersaison früher und dauert für uns „Sammler“ mittlerweile länger.
Auch fotografisch begeistern die Frösche und Kröten einige unserer Mitglieder. Es sind die Augen! Goldfarbene, bernsteinfarbene, bronzefarbene, schwarz-braune oder auch gelbe Farben der Iris ziehen die Fotografen in ihren Bann!
Bei der Wahl zu den schönsten Augen im Tierreich wären die Amphibien ganz vorne mit dabei. Jedes Tier hat sein ganz eigenes Muster. Schaut mal genau hin, wenn ihr das nächste Mal einem Frosch oder einer Kröte begegnet.
Die Gemeine Waldrebe ist echt gemein
Februar: Erinnert mich an ein heute fast vergessenes Küchengerät: Der elektrische Tauchsieder.
Aber es ist eine Gemeine Waldrebe (Clematis vitalba), die Dank ihrer sehr krümmungsfähigen Blattstiele in dieser fast perfekten Spiralform gewachsen ist. Vom einst umschlungenen Baum ist nichts geblieben. Die verholzte Schlingpflanze klettert wie eine Liane im Dschungel gern an Sträuchern und Bäumen hoch.
Das dekorative Gewächs eignet sich jetzt perfekt als Wendeltreppe für flügellahme Wellensittiche im häuslichen Wohnzimmer.
Gagel statt Hopfen
März: An einem Graben am Rande einer feuchten Wiese entdecken wir die Knospen des Gagelstrauches (Myrica gale). Zehn winzige „Tannenzapfen“ streben zur frühlingshaften Sonne.
Analysen zeigen, dass der Gagelstrauch schon in der Bronzezeit vor 3500 Jahren zum Bierbrauen verwendet wurde. Weitere Zutaten waren damals Wacholder-, Preisel- und Moosbeeren sowie Birken- und Kiefernharze. Vielleicht hat damals schon „Ötzi“ den herben Geschmack des Gebräus genossen?
Nach der am Niederrhein üblichen Bezeichnung für den Gagelstrauch „Grut“ werden solche Biere als Grutbiere bezeichnet. Diese waren im Mittelalter weit verbreitet und auch heute gibt es noch Gagelbiere.
Bekannte Marken aus Belgien, den Niederlanden und Dänemark sind „Gageleer“, „Koyt gruitbier“ oder „Porse Guld“.
Schnee! Endlich Schnee!
März: Moment mal? Es fliegt ja sogar leichter als die nassen Flocken? Ja, wenn es keinen Schnee gibt, laden nun Rohrkolben zu lustigen Experimenten ein.
Wer also zur Verbreitung der Flugsamen beitragen möchte, darf auch mal Flocken rieseln lassen, denn der Breitblättrige Rohrkolben (Typha latifolia) ist bei uns nicht gefährdet.
Das ausdauernde Gänseblümchen
April: Unterwegs mit Kamera und Makroausrüstung entdecke ich auf einem abgelegenen Sportplatz einen Teppich hübscher Gänseblümchen (Bellis perennis).
Im warmen Frühlingslicht lege ich mich auf den Rasen, um die Pflanzen artgerecht aus der Ameisenperspektive zu fotografieren. Sobald Teile der Blüte mit dem Makroobjektiv fokussiert sind, entdecke ich den Detailreichtum und die Schönheit dieser Allerweltspflanze.
Was scheinbar wie eine einzige Blüte aussieht, ist in Wirklichkeit eine Scheinblüte, die von Februar bis November erscheint.
Der Clou: Die Blütenkörbchen drehen sich stets zur Sonne und ernten so möglichst viel Sonnenlicht für die Photosynthese. Bitterstoffe, Gerbstoffe und ätherische Öle verleihen der Pflanze ihre antimikrobielle Wirkung. Sie wirkt u.a. harntreibend, hustenlösend und blutreinigend.
Zitronenwackelpudding am Baum?
April: Der Goldgelbe Zitterling (Tremelia mesenterica) ist eine häufige Pilzart und wächst überwiegend an toten, noch ansitzenden, aber auch an bereits herabgefallenen Ästen und Zweigen insbesondere von Laubbäumen.
Bei uns habe ich ihn bislang nur an alten Eichen gefunden. Der Pilz parasitiert holzzersetzende Pilze. Dieser harmlos scheinende Kamerad ist quasi ein Kannibale und labt sich an Verwandten.
Der gallertartige, blass gelbliche bis orange-gelbe Fruchtkörper des Zitterlings kann einen Durchmesser von bis zu 7 cm erreichen. Das Exemplar auf dem Foto ist bei Sturm vom Baum geweht worden und ist mit 6 cm schon ein ordentliches Exemplar.
Er besitzt eine gewundene, gelappte Form und bei feuchter Witterung eine schmierige oder schleimige, glänzende Oberfläche, was sich wie ein eingeweichtes Gummibärchen anfühlt.
Der Pilz wächst aus Rindenspalten und erscheint bei Regenwetter.
Bei Trockenheit schrumpft er innerhalb weniger Tage zusammen. Bei anschließender feuchter Witterung lebt der Fruchtkörper wieder auf. Dieser Mechanismus ist besonders für Kinder interessant, denn man kann das Aufleben des Fruchtkörpers auch zu Hause wieder herbeiführen: Einfach das befallene Holz in einen Eimer mit Wasser (vorzugsweise Regenwasser) stellen und warten. Nach einigen Stunden kann man die „Wiederauferstehung“ betrachten und untersuchen. Obwohl der Pilz als fad und geschmacklos gilt, ist er essbar, allerdings haben wir ihn noch nicht getestet. Wir bleiben doch lieber bei anderen Arten, zumal die Suche auch etwas schwierig wäre: wir müssten von Baum zu Baum klettern.
Echte Sternmiere
April: Auch hier lohnt sich ein Blick aus der Nähe auf diese kleine Schönheit, die wir am Rande einer Wiese bei bestem Frühlingswetter an der Brunau entdecken.
Die Echte Sternmiere (Stellaria holostea) erneuert sich aus dem Wurzelstock oder über Triebe, aus den dichte Pflanzenmatten aufwachsen.
Sie liebt, wie der Bärlauch, frische bis feuchte Hainböden und Wiesen in Laubwäldern.
Tarnung in allen Lebenslagen
Mai: Glückwunsch! Familie Specht hat mit diesem Baum eine erstklassige Wohnung mit Wohlfühlfaktor zur Aufzucht ihrer Jungen bezogen. Ein großer Baumpilz oberhalb der Einflugöffnung schützt die Bruthöhle vor Regen und andere Unbilden des Wetters.
Von hier können sie den Ausblick auf einen Altarm der Wietze genießen und den Nutrias beim Schwimmunterricht zusehen. Mittlerweile gehen wir durch den Wald und haben mehrere eigenwillige und gut getarnte Behausungen entdeckt. Es ist doch immer wieder erstaunlich, was die Tierwelt für geniale Wohnungen entwickelt.
An einem anderen Tag im Mai finden wir auf unserem Spaziergang viele Glasflaschen und packen sie ein um sie zu entsorgen. Eine Flasche lassen wir allerdings an Ort und Stelle, denn eine Ameisenkolonie hat sie als Wohnort auserkoren!
Wir legen einige Äste darüber und machen damit das Zuhause sonnensicher. So müssen die Ameisen ihren Nachwuchs bei höheren Temperaturen nicht umsiedeln. Und wieder einmal heißt es: Schau genau!!!
Galläpfel sind gar keine Äpfel
Mai: Das sind doch keine winzigen Äpfel da unter dem Blatt, oder? Doch es sind Äpfel, Galläpfel. Aber der Reihe nach:
Gallwespen sind nur wenige Millimeter kleine Insekten, die in der Regel schwarz gefärbt oder unauffällig gezeichnet sind.
Ihre Larven leben und entwickeln sich im Inneren der von ihnen selbst ausgelösten Wucherungen von Pflanzengewebe, den Pflanzengallen. Sie ernähren sich also rein pflanzlich, was für Wespen ziemlich ungewöhnlich ist.
Die Galle entsteht als Wucherung infolge des Einstichs mit dem Legebohrer, das Blatt wird umprogrammiert, um statt normales Blattgewebe die Gallen zu produzieren! Die Gallen haben eine artspezifische Form und sind oft leichter bestimmbar als das auslösende Insekt.
Auf dem Foto sind die großen Gallen der Gemeinen Eichengallwespe (Cynips quercusfolii) zu sehen.
Ein leckeres Balkonwunder
Juni: Auf Balkonen, in kleinen oder großen Gärten und auch auf Wiesen kann man dieses kleine Blütenwunder entdecken.
Wunderhübsch anzuschauen. Doch zu welcher Pflanze gehören diese hübschen Blüten? Ein Wiesenknopf (Sanguisorba minor)! Viele kennen diese Pflanze auch als Pimpinelle, eine leckere Zutat für Salate und andere Leckereien.
Auch der Natur- und Tierfilmer Jan Haft ist vom großen Bruder, dem Großen Wiesenknopf, hellauf begeistert.
In seinem Buch „Die Wiese – Lockruf in eine geheimnisvolle Welt“ und auch im Film erfährt man viel über die Natur vor unserer Haustür. Ich habe dieses Buch mit wachsender Begeisterung gelesen und vielen Menschen weiterempfohlen. Jan Haft berichtet von kleinen und großen Entdeckungen auf verschiedenen Wiesen und lockt uns in eine kleine Welt voller Abenteuer und Wunder!
Kulturfolger Acker-Glockenblume
Juni: Im Seitenraum eines Weges durch ein Moorgebiet bei Wietzendorf fällt mir diese hübsche Pflanze ins Auge.
Habe ich noch nie gesehen und gleich die App „Flora Incognita“ befragt. Und siehe da: eine Seltenheit am Wegesrand mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 95 % erkannt!
Die Acker-Glockenblume (Campanula rapunculoides) lebte ursprünglich im Wald, wechselte aber vor etwa 7000 Jahren auf landwirtschaftliche Flächen, als der Mensch begann die Wälder zu roden, um Platz für Äcker zu schaffen.
Diese neuen Standorte werden durch die Bearbeitung regelmäßig gestört. Damit werden lästige Konkurrenten verdrängt und bessere Lebensbedingungen für die Glockenblume geschaffen.
Artenvielfalt im Vogelpark
Juni: Schon von Kindesbeinen an sind wir jedes Jahr in den Vogelpark Walsrode gefahren, um die große Vielfalt der Gefiederten zu erleben.
Und bei jedem Besuch ist es eine andere Vogelart, die mich begeistert.
Dieser Weißstorch (Ciconia ciconia) steht stellvertretend für alle Bewohner des Vogelparks, ihre Lebensräume und unsere Bemühungen für die Natur!
Als Sinnbild der jährlichen Wiederkehr bringt er mir in jedem Frühjahr Mut, Geduld und Ausdauer mit. Was verbindet ihr mit dem Storch?
Vielfalt der Becherflechten
Juli: Vom Wege aus sehe ich nur einen alten und sehr morschen Baumstumpf von einer mattgrünen Pflanzendecke umhüllt. Was gibt es da schon zu entdecken?
Aus der Nähe erkennt das fotografisch geschulte Auge eine Vielzahl interessanter Motive.
Aber wie läßt sich aus diesem Wirrwar ein passender Bildauschnitt finden? Die Devise lautet: Ran an Motiv, dicht ran! Jetzt machen die nur 2 cm großen Pflanzen ihren Namen alle Ehre. Mit über 70 Arten in Mitteleuropa und ihrer sehr variablen Wuchsform wachsen Becherflechten (Cladonia spec.) in Nadelwäldern. Aber es sind gar keine Pflanzen, sondern eben Flechten. Eine Lebensgemeinschaft aus Pilz und Alge.
Sind diese Formen nicht hübsche Designvorlagen für ein schlankes Glas oder eine elegante Leuchte? „Cladonia lux“ finde ich passend.
Mit etwas Phantasie könnten es auch von Grünspan umhüllte kupferne Kelche aus einem Hügelgrab der Bronzezeit sein.
Edelsteine aus Holz: „Baumperlen“
Juli: Wer aufmerksam die Rinde von Bäumen betrachtet, hat diese kleinen Knubbel vielleicht schon entdeckt und sich gefragt: Was sind den das für seltsame Gebilde?
Durch Verbiss von Reh, Hirsch oder andere mechanische Einwirkungen wird die Rinde eines Baumes verletzt. An diesen Stelle können dann kleine Verunreinigungen eindringen und den Baum schädigen.
Aber der Baum kann sich gegen diese Gefahren wehren: Langsam kapselt er die eingedrungenen Bakterien oder Pilzsporen vom Rest des Stammes ab und schließt sie ein. Solange sich die Wunde im Heilungsprozess befindet, ist die Baumperle fest mit dem Baum verwachsen. Ist der Heilungsprozess abgeschlossen, löst sich die Verbindung und die Baumperle fällt zu Boden.
Am häufigsten findet man sie an Buchen und anderen Bäumen mit relativ glatter Rinde. Ausgewachsene Baumperlen sind bereits komplett vom Stamm abgekapselt und lassen sich mit leichtem Druck vorsichtig vom Baum ablösen. Auf keinen Fall sollte man sie abschneiden, denn damit würde man den Baum verletzen.
Die Knolle ist ein kugelförmiges und besonders festes Holzgebilde, das von einer dünnen Schale umschlossen ist. Durch Entfernen der Schale wird die feine Maserung der Holzoberfläche sichtbar. Bei einer weichen Schale gelingt dies bereits mit den Fingernägeln. Härtere Exemplare kommen vorher für eine Viertelstunde in köchelndes Wasser.
Es gibt ganz glatte Baumperlen, andere haben spitze Zapfen. Auf den besonders schönen Baumperlen der Eiche kann man Jahresringe erkennen. Aus Baumperlen lassen sich individuelle Schmuckstücke, wie Anhänger oder Ketten basteln.
Für manche Menschen besitzen sie sogar magische Kräfte. Für mich liegt die Magie darin, dass aus kurzen Spaziergängen recht lange werden, weil verdächtige Baumstämme gründlich nach den kleinen Holzknollen abgesucht werden. Gehen Sie doch mal mit Ihren Kindern oder Enkeln auf Schatzsuche in den Wald und tanken dabei reichlich frische Luft.
Strix aluco, der heimliche Beobachter
August: Die Bezeichnung „Kauz“ ist eine Besonderheit im deutschen Sprachraum, denn in anderen europäischen Ländern gibt es kein eigenes Wort für Eulen (hier: Waldkauz, Vogel des Jahres 2017) mit rundem Kopf ohne Federohren.
Sie werden wie andere Eulenarten allgemein als „Eulen“ bezeichnet. Lustig ist auch die Definition in verschiedenen Sprachführern:
- Ornithologie: Vertreter einiger Eulengattungen
- Eigenartiger (aber nicht unsympathischer) Mensch
Das Wort Kauz kommt aus dem Spätmittelhochdeutschen und ist seit dem 15. Jahrhundert belegt.
Nur wenig später wurde es auch für eine Person benutzt, die wie der Waldkauz (Strix aluco) bei Tag zurückgezogen lebt und sich auch sonst seltsam benimmt.
Fleißige Blattlauslöwen
August: Die Gemeine Florfliege (Chrysoperla carnea) erkennt man an ihren metallisch glänzenden Knopfaugen und den durchsichtigen grazilen Flügeln mit grünen Äderchen.
Wegen ihrer enormen Bedeutung als Nützling wurde die Florfliege 1999 zum „Insekt des Jahres“ gewählt. Das filigrane Netzwerk der Flügeladerung gab den Tieren ihren Namen: Netzflügler.
In Deutschland gibt es fast 35 Arten. Florfliegen sind dämmerungsaktive Tiere, die sich tagsüber mit zusammengeklappten Flügeln gerne an der Unterseite von Blättern verstecken. Oder aber durch windige Zufälle im Wasser landen und von vorsichtigen Händen gerettet werden.
Ausgewachsene Florfliegen ernähren sich ausschließlich von Pollen, Nektar und Honigtau. Die Larven sind räuberisch und erbeuten hauptsächlich Blattläuse sowie kleine Raupen, Wollläuse und Spinnmilben. Und weil sie so tüchtige Blattlausfresser sind, bis zu 100 am Tag, haben es die Larven sogar zu einem eigenen Namen gebracht: Die Blattlauslöwen.
Zu Besuch bei einer mächtigen Douglasie
August: Gut versteckt am Rande einer ehemaligen Kieselgurgrube wächst eine mächtige Douglasie (Pseudotsuga menziesii).
Das Prachtexemplar mit einem Umfang von 3,6 m streckt seinen Stamm fast 40 Meter in den Himmel! Am verdickten Stammfuß habe ich sogar einen Umfang von 6,0 m gemessen.
Die blaugrünen Nadeln des immergrünen und schnell wachsenden Baumriesen verströmen beim Zerreiben einen aromatischen, angenehmen Geruch, der an Zitrone oder Orange erinnert.
Im Jahre 1827 brachte der Botaniker David Douglas den später nach ihm benannten Baum von einer nordamerikanischen Expedition nach London. Seitdem wird die Douglasie in Mitteleuropa in Wäldern und Parks angepflanzt.
Brauner Feuerfalter
September: Der Braune Feuerfalter (Lycaena tityrus) begegnet einem im renaturierten Pietzmoor bis in den September hinein.
Wunderhübsch anzusehen. Bei einem gemütlichen Picknick auf einer nahegelegenen Wiese beobachten wir viele dieser famos gemusterten Falter.
Im Pietzmoor selbst sonnen sich auch gerne die Kreuzottern direkt neben den Holzstegen und lassen sich von den vielen Wanderern nicht stören. Also immer einen Besuch wert!
Kleiner Perlmuttfalter ganz groß
September: Besonders kleine Tiere machen sich manchmal größer, um Feinde abzuschrecken.
Dieser Kleiner Perlmuttfalter (Issoria lathonia) bedient sich hierzu einer raffinierten Technik: Er nutzt kurz vor Sonnenuntergang seinen eigenen Schattenwurf!
Der ungeübte Blick könnte jetzt einen schwarzen Greifvogel erkennen und die Flucht ergreifen. Virtuelle Mimikry!
Südliche Rote Röhrenspinne
September: An einem sonnigen und warmen Herbstnachmittag im September entdecken wir am Rande einer Heidefläche einen laufenden roten Punkt. Ein Marienkäfer?
Nein, was hier durch das Heidekraut krabbelt ist die Rote Röhrenspinne (Eresus kollari). Ein seltener Bewohner, der jetzt auch in der Lüneburger Heide heimisch ist.
Ein Gewinner des Klimawandels, der bis vor einigen Jahren nur in warmen Gebieten Süddeutschlands, wie dem Kaiserstuhl, vorkam.
Aber irgendwie möchte die Spinne schon wie ein Marienkäfer aussehen, um damit gefräßige Vögel in die Flucht zu schlagen. Echte Mimikry!
Der Buchenstachelbart, ein seltener Pilz
Oktober: Buchenstachelbart oder Ästiger Stachelbart (Hericium coralloides). Schon der Name ist Programm! Bei uns in Deutschland gilt dieser Pilz, der 2006 Pilz des Jahres war, als stark gefährdet.
Er wächst nur in Regionen mit alten Buchenbeständen und von diesen Wäldern gibt es leider nicht mehr allzu viele.
Aber es gibt bei uns im Landkreis einen Ort, an dem man ihm begegnen kann. Dieser Pilz wächst nur auf totem Holz und schädigt keine lebenden Bäume.
Vielmehr trägt er dazu bei, den organischen Abfall des Waldes zu recyceln und neue Behausungen für Insekten und andere Kleintiere entstehen zu lassen. Begeisterung weckt bei uns die starke Verästelung und das korallenartige Aussehen im „Meer“ des Waldes.
Klebriger Hörnling, Schönheit des Waldes
Oktober: Schlagen dort kleine Flammen aus dem Waldboden oder wächst da etwa eine Koralle? Nein, es ist der Klebrige Hörnling (Calocera viscosa).
Ein orangegelb leuchtender Pilz auf dem nadeligen Waldboden, der auch unter dem Namen Zwergerlfeuer bekannt ist. Seine Zellwände bestehen übrigens zu 90 % aus Chitin, dem Stoff der auch Insektenpanzern große Stabilität verleiht.
Kulinarische Spezialität Fette Henne
November: Welcher Pilzsammler ist nicht froh ein solch tolles Exemplar einer Fetten Henne (Sparassis crispa) oder auch Krausen Glucke an einer Kiefer zu finden?
Wir waren es auf jeden Fall und haben erst Beweisfotos gemacht und dann zwei Körbe voll geerntet!
Waldbesitzer und Förster sehen in dem Pilz in erster Linie den gnadenlosen Baumschädling, der die wertvollen Festmeter mit der Braunfäule ansteckt.
Großer Birkensplintkäfer
November: Merkwürdiger Fund! Eine Reihe senkrecht angeordneter Löcher an einer alten Birke.
Ein Specht? Nein! Ein Großer Birkensplintkäfer (Scolytus ratzeburgii) ist der Zimmermeister der darunter liegenden Bruthöhlen.
Eine Generation pro Jahr schlüpft von diesen 5 bis 7 Millimeter großen Käfern, die es sich am liebsten in alten Sandbirken gemütlich machen.Wenn die Borke sich ablöst, kann man die versteckte Baukunst des Käfers bewundern: ein fast gleichmäßiges „Wohnhaus“ für den Nachwuchs.
Fleischfarbener Gallertbecherling
November: Was für ein tief gefurchtes Gebilde wächst den da auf dem alten Baum? Es sind die Fruchtkörper des Fleischfarbenen Gallertbecherlings (Ascocoryne sarcoides), sie erreichen einen Durchmesser von zwei Zentimetern. Um diesen Pilz groß rauszubringen muß man dicht rangehen.
Hier hat sich die Methode das alte Zoomobjektiv mittels Umkehrring rückwärts an die Kamera anzuschließen als sehr geeignet erwiesen. Mit bloßem Auge übersieht man dieses kleine Fundstück leicht.
Der auch unter dem Namen Fleischroter Gallertbecher bekannte Pilz bildet ungestielte, kreisel- bis schalenförmige Fruchtkörper von gallertiger Konsistenz. Die Färbung variiert von violett bis fleischrot.
Der violette Farbstoff besteht aus einer chemischen Substanz, die gegen manche Bakterien eine antibiotische Wirkung zeigt. Geruch und Geschmack werden als unauffällig beschrieben.
Der Pilz wächst auf Totholz von Laubbäumen und erscheint bei kühleren Temperaturen und feuchter Witterung von Herbst bis in den Winter. Man findet ihn in Europa, Amerika, Australien und Neuseeland. Bei uns in Mitteleuropa ist er recht häufig.
Nur im feuchten Zustand sind die Fruchtkörper vom Fleischroten Gallertbecher gallertartig weich, im ausgetrockneten Zustand wird der Pilz hart und trocknet ein.
Geweihförmige Holzkeule
November: Im Spätherbst und Winter ist die Geweihförmige Holzkeule (Xylaria hypoxylon) häufig auf Totholz zu finden. Auf einem grünbemoosten Baumstumpf ist der graue Schlauchpilz ein besonderer Blickfang und wird seinem deutschen Namen gerecht.
Mit einer Wuchshöhe von wenigen Zentimetern erinnert er mich allerdings an einen besonders kleinen Hirsch.
Die Geweihförmige Holzkeule bildet bis zu 6 Zentimeter hohe und bis ungefähr 2 Zentimeter breite, geweihförmige Fruchtkörper aus. Der obere Teil ist dabei oft weißlich gefärbt.
Die Pilz ist zwar ungiftig, aber wegen seiner holzigen Konsistenz und des fehlenden Geschmacks nicht mal als kleine Sättigungsbeilage zu gebrauchen. Als Fotomotiv schlägt er sich aber wacker.
Ein kleines Gedicht
Dezember: Die Befreiung
Die Befreiung
Wer klettert so spät aus diesem Baum?
Es ist der Waldschrat, man glaubt es kaum.
Mitten im Winter reckt er die Arme
dass man sich seiner erbarme.
Was denkt ihr? Ist er bös´ oder gut?
Findet es raus! Wer hat den Mut?
Geheimnisvolle Schleimpilze
Dezember: Schleimpilze sind sehr bemerkenswerte einzellige Lebewesen und erreichen die rekordverdächtige Größe von bis zu zwei Quadratmetern! Sie besitzen zwar sehr, sehr viele Zellkerne aber keine Zellwände.
Trotz ihres Namens sind es keine Pilze. Die Organismen verhalten sich phasenweise wie Tiere oder wie Pflanzen. Sie verändern mit der Zeit stark ihr äußeres Erscheinungsbild und können sich sogar fortbewegen!
In Experimenten kann man ihr Erinnerungsvermögen, räumliche Orientierung, ja sogar eine Art Intelligenz nachweisen. Der Schleimpilz Physarum polycephalum besitzt keine Nervenzellen. Um an Futter zu gelangen, überwindet er aber trotzdem Hindernisse und merkt sich, wo er es gefunden hat. Der Rotköpfige Schleimpilz (Trichia decipiens) ist eine weltweit verbreitete Art und bildet kaum stecknadelkopfgroße Fruchtkörper. Im Internet gibt es interessante Videos mit phantastischen Zeitrafferaufnahmen!
Judasohr und merkwürdige Pilznamen
Dezember: Ein typischer Winterpilz ist das Judasohr (Auricularia auricula-judae). Seine Form erinnert an ein Primaten-Ohr und er fühlt sich auch so an: Weich, leicht behaart und knubbelig.
Der deutsche Volksname Judasohr hat seine Ursprung in folgender Sage: Der Jünger Judas Iskariot verriet Jesus mit einem Kuss und soll sich dann aus Gram an einem Holunderbaum erhängt haben. Tatsächlich erscheint das Judasohr oft an älteren und geschwächten Stämmen und Ästen des Schwarzen Holunders.
Den Pilz habe ich bisher bei uns nur selten gefunden. Als Saprobiont ernährt er sich vom Holz, das er allmählich abbaut.
Im Unterschied zu vielen anderen Pilzfruchtkörpern ist das Judasohr das ganze Jahr hindurch zu finden. Er fällt besonders in frostfreien und feuchten Wintermonaten ins Auge.
Obwohl der Geschmack nicht besonders intensiv ist, passt das Judasohr gut zu Pilzmischgerichten und er lässt sich hervorragend trocknen. Seine ungewöhnliche Form macht das Judasohr unverwechselbar. Giftige Doppelgänger sind nicht bekannt. Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat das Judasohr zum „Pilz des Jahres 2017“ gewählt.
Bei Trockenheit schrumpft der Pilz zusammen und wenn es regnet, quillt er wieder vollständig auf. Bei Primaten-Ohren habe ich das bisher noch nicht beobachtet.
Wir kennen einen nahen Verwandten des Judasohr aus dem China-Restaurant. Der Pilz mit dem Namen Auricularia polytricha wird dort irreführend als „Chinesische Morchel“ serviert.
In Ostasien wird er nicht nur für die Küche gezüchtet sondern er spielt auch in der chinesischen Medizin und Naturheilkunde eine wichtige Rolle.
Neben ihres ausgezeichneten Speisewertes bereichern viele Pilze nicht nur unseren Speiseplan mit kulinarischen Köstlichkeiten, sondern auch den deutschen Wortschatz mit einer bunten Kollektion bildhafter Artbezeichnungen. Bestens geeignet zur herzhaften Titulierung unangenehmer Zeitgenossen.
Bitte bedienen Sie sich bei Bedarf aus nachfolgender Auswahl:
- Beringter Schleimrübling (Qudermansiella mucida)
- Blaublättriger Klumpfuß (Cortinarius callochrous)
- Filziger Langfüßler (Helvella villosa)
- Geschwänzter Ackerling (Agrocybe arvalis)
- Grauer Saftling (Hygrocybe unguinosa)
- Lästiger Ritterling (Tricholoma inamoenum)
- Mist-Kahlkopf (Psilocybe coprophila)
- Nordischer Schleimfuß (Cortinarius mucifluus)
- Schmieriger Schleimschirmling (Limacella glioderma)
- Schmutziger Rötling (Entomola sordidulum)
- Stink-Schirmling (Lepiota Cristata)
- Triefnasiger Kiefernödling (Mariobartha snoddernasii)
- Trügerischer Schönkopf (Calocybe naucoria)
- Unerträglicher Schleimkopf (Cortinarius russeoides)
- Unverschämter Rübling (Collybia impudica)
- Verdrehter Rübling (Collybia distorta)
- Warziger Drüsling (Exidia plana)
- Widerlicher Stacheling (Sarcodon leucopus)
- Zierlicher Öhrling (Otidea concinna)
Übrigens: Nur eine Art dieser Liste gibt es nicht in der Realität.
Auf ein Neues ...
Wir sind gespannt, zu welchen Fundstücken der Natur uns das Jahr 2021 auf dem Raumschiff Erde führt. Ausgerüstet mit einer kleinen Zeckenzange, gesunder Wegzehrung, wetterfester Kleidung, Fernglas, Kamera und einer kräftigen Portion Neugier gilt es Interessantes und scheinbar Nebensächliches zu entdecken. Da kommen schon mal 10000 Schritte zusammen. Bewegung in der Natur und an frischer Luft hält körperlich und geistig fit. Wir können es jedenfalls bestens empfehlen.
Fortsetzung folgt!
Röhrenspinne, Zitterling und Co. – Fundstücke des Jahres 2020 (PDF 6 MB)
Kommentare
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Kommentar 1 von 1
Vor 22 Monaten von Hans-Günther Buhl • Celle
Was für eine tolle Zusammenstellung von hochinteressanten Sehenswürdigkeiten im Walde. Ich bin echt begeistert! Vielen Dank dafür.
Mit herzlichen Grüßen aus Celle.
Hans-Günther Buhl.