Mordfliege, Waldameise und Co. – Fundstücke des Jahres 2024
Kristina Basenau und Jürgen Eggers – NABU Hermannsburg/Faßberg e.V.
Böse Zungen behaupten: „Auf dem Land ist doch nix los!“. Noch bösere Zungen legen noch eine Schippe drauf: „Und es wird sich auch nie nichts ändern!“. Okay, in den wuseligen Großstädten gibt es von allem mehr: Mehr Tankstellen, mehr Autoabgase, mehr Werbeplakate, mehr Spielotheken, mehr Hundehaufen und mehr Lärm.
Wer zwischen Düsseldorf und Köln wohnt, kann tagein und tagaus der „Rheinischen Brandung“ lauschen. Anders als an den Küsten von Nord- und Ostsee sorgen hier nicht Wasserwellen für das Dezibel-Getöse, sondern Autos und Lastwagen, auf den stets naheliegenden Autobahnen.
Bei uns in der Südheide ist die nächste Autobahn meilenweit entfernt. Allerdings versorgen uns an Schönwetter-Wochenenden schwarzbelederte und schutzbehelmte Fahrtwindjunkies auf ihren chromblitzenden Knatterböcken mit reichlich Krach und Gestank, wenn sie über kurvige Landstraßen zur nächsten Eisdiele brettern.
Aber sonst ist es in unseren „Oasen der Stille“ so leise, dass man seinen eigenen Herzschlag hören kann. Und wer genau hinschaut, entdeckt Erstaunliches in Feld, Wald und Flur.
Manchmal erleben wir auf unseren Touren regelrechte Krimis, Mordfälle und Raubzüge. Die Natur ist nicht nur ein Ort der Entspannung: Täglich gibt es Kriege, Morde und andere Krimis.Also schnell die Wanderschuhe schnüren, Proviant in den Rucksack und raus in die Natur, wo die kleinen Entdeckungen jeden Spaziergang zum Erlebnis machen.
Regen, viel Regen und noch mehr Regen ...
Januar: Von Oktober bis Anfang Januar zeigte sich der Himmel meist trüb im Farbspektrum von asch- über blei- bis schiefergrau. Die jeweils diensthabenden Tiefdruckgebiete mit so gewöhnlichen Namen wie Wolfgang, Knud und Bruno schaufeln unablässig triefnasse Regenwolken über den Atlantik in unsere Gefilde. Hier angekommen, können sie ihr Wasser nicht halten und regnen ab. Graupel, Hagel, Eisregen und Schnee sorgen für ein wenig Abwechslung.
Während im Jahr 2022 bei uns nur 570 mm Niederschlag registriert wurden, waren es im vergangen Jahr 1050 mm, was einer bemerkenswerten Steigerung um 84 % entspricht. Ein Vergleich veranschaulicht die trockene Statistik: Otto Normalverbraucher (178 cm, 72 kg, IQ 100) stünde das Wasser 2022 bis zu den Kniegelenken, 2023 bis zum Bauchnabel.
Während von April bis September ein Großteil des Regens schnell ungefragt verdunstet, füllt er im Winterhalbjahr die Grundwasservorräte kräftig auf. Die Wassermassen der vergangenen Monate haben die Böden jedoch komplett gesättigt und fließen nun oberirdisch ab. Ergebnis: Flüsse treten über die Ufer und überfluten die Talauen. Bei einem Waldspaziergang durch das Tal der Wietze oberhalb von Müden (Örtze) fädelt sich allmählich ein glucksendes Plätschern in unsere Ohren. Der Randgraben der Feuchtwiese ist zu einem quicklebendigen Bach angeschwollen. Ein schöner Anblick!
Für ungünstig gelegene Haushalte bedeutet Hochwasser hingegen Ärger mit vollgelaufenen Kellern und Mühe mit notwendigen Abpumpaktionen. Überall an den Wohnstraßen liegen Schläuche, die das Wasser in die Gullys der Kanalisation entsorgen. In Hermannsburg und Umgebung sind wir dank der naturbelassenen Flüsse und Bäche von größeren Schäden verschont geblieben.
Bekanntlich sind die drei wichtigsten Kriterien zur Bewertung von Immobilen Lage, Lage und Lage. Es ist daher keine gute Idee ist, sein Eigenheim in Straßen mit so verdächtigen Namen wie z.B. „In den Baarwiesen“ hin zu mörteln.
Neben einer leistungsstarken und für den Dauerbetrieb geeigneten Pumpe sollte dann auch ein Schlauchboot den Fuhrpark ergänzen. Ist das nächste Haus dann noch mehrere hundert Meter entfernt, ist eine Investition in einen Außenbordmotor angeraten, um die gewohnten Mobilitätsansprüche zu gewährleisten.
Kunstfertige Spezialisten
Januar: In den warmen Monaten kann man die Radnetze der Kreuzspinne leicht entdecken, besonders wenn sich Tautropfen darauf gesammelt haben. Doch in den kalten Monaten gelingt es diesem besonderen Jäger sich ebenfalls gut zu tarnen. Fast hätten wir dieses Prachtexemplar in dem trockenen Grasbüschel übersehen.
Ihre acht Beine, die bei manchen Menschen ein starkes Ekel- oder Angstgefühl hervorrufen, hatte sie wohlgeordnet in Position gebracht um gut getarnt an diesem Halm auszuharren. Als Meister der Kunstfertigkeit kann die Kreuzspinne zum Teil recht imposante Netze bauen. Zwischen zarten Grashalmen wartet sie dann mal direkt mittig auf ihrem Netz oder gut versteckt auf sorglose Insekten.
Viele Menschen wissen heute schon, dass Spinnentiere mit zu den wichtigsten Tieren unserer Ökosysteme gehören. Doch hätten sie das gewusst? Hochgerechnet auf die Menge Insekten, die eine Spinne pro Jahr verdrückt, käme allein in Deutschland eine 10 – 15 cm hohe Schicht aus Insekten zusammen, wenn wir keine Spinnen mehr hätten. Zudem wäre unsere Luft mit so vielen Insekten angefüllt, dass wir große Schwierigkeiten hätten sie nicht ständig einzuatmen.
Spinnen sind außerdem Spezialisten in Sachen Lebensraum. Jede Art hat ganz spezielle Wünsche an ihr Habitat: viel oder wenig Feuchtigkeit, viel oder wenig Licht, hoher Bewuchs, und noch einiges mehr. Somit sind sie eng an ihren Wohnplatz gebunden. Sie dienen damit bei der Erfassung von Lebensräumen als Indikator für einen guten ökologischen Zustand ihres jeweiligen Lebensbereiches und geben dem Naturkundler auch Auskunft über die Umweltfaktoren des Standortes. Mit ihrer Hilfe konnten schon naturschutzbezogene Fragen ausgewertet werden, wie etwa Erfolge von Renaturierungsmaßnahmen oder der Einfluss von Pflanzenschutzmitteln.
Die Gartenkreuzspinne (Araneus diadematus) gehört zur Gattung der echten Radnetzspinnen, was man auf dem Bild auch gut an den Borsten der vorderen Extremitäten sehen kann. Diese Familie baut zumeist wagenradförmige Netze. Aber wie immer in der der Natur: es gibt auch hier Ausnahmen. Interessant ist die Entstehung der namensgebenden Punkte: Es sind Stoffwechselprodukte die unter dem Panzer abgelagert werden.
Alle Kreuzspinnenarten tragen ein solches Muster, doch ist das Kreuz nur bei der Gartenkreuzspinne und der Vierfleckkreuzspinne erkennbar. Die Sumpfkreuzspinne ist wesentlich hübscher anzusehen, doch leider werden die wenigsten von uns ein Exemplar finden, da diese Art als gefährdet eingestuft wird.
Die gefürchteten Kunsthandwerker Buchdrucker und Kupferstecher
Februar: Mit diesen Berufsbezeichnungen schmücken sich kleine Borkenkäfer, die zur Unterfamilie der Rüsselkäfer zählen, obwohl da nirgendwo ein Rüssel aus dem Körper baumelt. Buchdrucker (Ips typographus), Kupferstecher (Pityogenes chalcographus) und andere Borkenkäfer bohren sich gerne durch die Rinde von Fichte und Kiefer, um darunter Brutgänge für ihre Nachkommen anzulegen.
Larven und Jungkäfer fressen sich einige Wochen später zwischen Borke und Splintholz durch die leckere Bastschicht des befallenen Baumes. Dabei durchtrennen sie die Leitungsbahnen, welche die Baumwurzeln mit den in den Nadeln gebildeten Nährstoffen versorgen. Bei starkem Befall wird außerdem der Wassertransport in die Kronen unterbunden und der Baum stirbt ab.
Rot verfärbte Kronen oder Haufen grüner Nadeln am Waldboden sind ein untrügliches Zeichen für befallene Bäume im Todeskampf. Gesunden Bäumen gelingt es durch Absonderung von Harz den Insektenangriff abzuwehren, solange die Attacke nur von wenigen Käfern ausgeht.
Dürre und Hitze der vergangenen Jahre haben aber die Wälder empfindlich geschwächt und anfällig für Borkenkäfer gemacht. Die Käfer vermehren sich unter solchen Umweltbedingungen massenhaft und auch gesunde Bäume können dann den Großangriff nicht abwehren und sterben ab.
Die Forstwirtschaft versucht meist die Käferplage durch Kahlschlag der betroffenen Bestände einzudämmen. Das befallen Holz ist allerdings durch eindringende Pilze verfärbt und taugt dann nur noch als billiges Brennholz. Von den 79 Mio. m³ geschlagenen Holzes im Jahr 2022 waren 27 Mio. m³ durch Insektenbefall verursacht.
Mutter Natur empfiehlt die biologische Schädlingsbekämpfung: Dreizehenspecht, Ameisenbuntkäfer und Waffenfliegen mögen die Käferlarven zum Fressen gern. Eine Massenvermehrung der Borkenkäfer kann so eventuell verhindert werden. Darum ist es wichtig den Lebensraum für diese Waldpolizei zu schützen.
Übrigens: Zur Bekämpfung im Holz brütender Insekten wird liegendes Stammholz bisweilen mit Gift besprüht! Also bitte nicht auf den Holzpoltern herumklettern! Warum stehen an solchen Lagerplätzen eigentlich keine Warnschilder?
Gans reiselustig …
Februar: In manchen Jahren beginnt das Frühjahr ungewöhnlich mild, die Zugvögel kommen früh wieder und als Waldläufer kann man wunderbar die Flugformationen der Singschwäne, Kraniche und Gänse betrachten. Dem geübten Vogelkundler fliegen an Hand von Silhouette, Rufen und Formation schon viele Informationen über die jeweilige Vogelart zu. Schon allein die Rufe der Vögel sind ein wichtiges Merkmal zur Bestimmung.
Doch auch das Flugverhalten und die unterschiedlichen Routen zeigen dem Naturbeobachter, dass der Frühling schon in den Startlöchern steht. Die Gänse haben ihr Zugverhalten an die milden Temperaturen und somit an das Nahrungsangebot angepasst. Einige Gruppen ziehen zum Teil nur noch bis nach Süddeutschland, wenn das Nahrungsangebot nicht mehr für die Gruppe ausreicht.
Ihre Flugformation ist sehr ausgeklügelt: nur die erste Gans benötigt ihre ganze Energie; die nachfolgenden Tiere fliegen daher im Windschatten und können so ein Drittel ihrer Kraft einsparen. Natürlich wird sich immer wieder abgewechselt. Eine Strecke von bis zu 1000 km pro Tag ist mit dieser Strategie möglich. So reisen sibirische Gänse bis zu 6000 km zu ihren Winterquartieren in Europa. Manche Gänsepaare finden auch dichter an ihren Winterquartieren einen neuen Platz ihre Kinder großzuziehen wie hier an den Kiesteichen in Oldendorf.
Hausgänse haben das Zugverhalten abgelegt, da sie im Laufe ihrer Domestizierung seit der Bronzezeit ihre Flugfähigkeit eingebüßt haben.
Sie werden auf vielen Höfen als Wachtiere eingesetzt. Ihr garstiger und renitenter Charakter macht sie zu beliebtem, unbestechlichen Wachpersonal. Das Risiko ist allerdings, dass sie ungebetene Gäste nicht sehr freundlich begrüßen und mit Schnabelattacken vertreiben wollen. Wenn der „Eindringling“ in akzeptabler Entfernung ist, warnen die Hausgänse erst mit verschiedenen Rufen, Schnarren und Fauchen.
Ganz anders sind da die verschiedenen Gänse, die sich jetzt wieder auf die Rückreise zu ihren Brutgebieten machen: die Graugänse (Anser anser) unterhalten sich fast die gesamte Zeit, wogegen die Bläßgans ein eher ruhiger Kandidat ist und während des Fluges eher verhalten ruft.
Auch in unseren Sprachgebrauch hat das Wort „dumme Gans“ Eingang gefunden. Wobei das Wort „Dumm“ hier nicht passt, denn die Hausgans wird ja als garstiger und renitenter Charakter als Wachtier eingesetzt. Vielleicht sollten wir die Anwendung dieser Schmähung demnächst passender anwenden …
Dazu passt ein Gedicht, dass Wilhelm Busch von einem nachgeborenen Ghostwriter untergejubelt wurde:
Die Gans auf des Raben Hofe
Im Weichbild einer friedvollen Provinz dereinst ein Rabe hielt Hofe, fürstlich wie ein Prinz.
Reisenden mit Pferd, Esel und anderem Getier er selbstredend bot Unterkunft und sicheres Nachtquartier.
Hierfür am Tage und auch zur Nacht, eine bockbeinig watschelnde, scheel glotzende Gans hielt Wacht.
Das garstig Federvieh dank kalter Elektroaugen Macht, Anwesen nebst Stallungen stets im Blicke hat.
Angefaucht und attackiert mittels Schnabelhiebe sie daselbst verjagt die eignen Gäste, nicht nur Eierdiebe!
Solch frevelhaft Betragen ward dem Raben bald verdrießlich, die Gans verschwand dann schließlich ...
Ähnlichkeiten mit dies- oder jenseitigen Gänsen oder gänseartigen Zweibeinern beiderlei Geschlechts wären rein zufällig, aber nicht unmöglich.
Wilde Felsformationen der Südheide?
März: Wie kann das sein? Solch eine Sandsteinformation mitten in der Südheide? Wo ist sie zu finden?
Und ja! Tatsächlich ist dieses Bild in der Südheide entstanden. Nach den langen Regentagen des Winters brauchte es nur einen kleinen Spaziergang über unsere sandigen Wege um ein kleines Gebirge mit faszinierenden Formationen zu entdecken. Die alten Reifenspuren eines großen Fahrzeuges waren durch den Regen auf besondere Art und Weise ausgewaschen worden.
Das abfließende Wasser hatte tiefe Spuren zwischen den kleinen und noch kleineren Steinen hinterlassen. In der ganzen Spur hatten sich kleine Täler mit aufsitzenden Steinchen gebildet. Völlig bizarr wirkte es mit dem Blick durch das Makro-Objektiv und erscheint fast wie ein Blick in eine andere Welt.
Solche Felstürme kann man tatsächlich auch in anderen Größen in verschiedenen Teilen der Welt entdecken. Zum Beispiel im Göreme Nationalpark in der Türkei gibt es ähnlich anmutende Feenkamine, die sogar als UNESCO Weltkulturerbe gut behütet werden. Oder bei einer Reise auf das nordamerikanische Festland sind in Utah zu den Wahweap Hoodoos zu finden. Ein Besuch dieser Orte ist sicherlich lohnenswert.
Wer den kleineren Geldbeutel hat, kann sich natürlich auch nach einem Regenschauer auf die Suche nach unseren kleinen „Gebirgen“ machen. Je nach Bodenbeschaffenheit können die Türmchen manchmal richtig hoch werden. Diese Miniaturkunstwerke überdauern oftmals nur einen kurzen Zeitraum, denn der Heidesand trocknet recht schnell aus und da genügt eine leichte Erschütterung und die filigranen Sandtürmchen stürzen ein.
Erosion ist in unserer Landschaft tatsächlich ein Thema mit Potenzial. Der Heideboden hat durch seine Entstehungsgeschichte nur wenig Speicherkapazität. Das Wasser verschwindet schnell und auch mit Nährstoffen ist unser Boden durch verschiedene Ereignisse nur mäßig ausgestattet. Entstanden sind unsere Heideböden durch riesige Gletscher und deren Hinterlassenschaften. Mächtige Sandablagerungen wurden von den schmelzenden Eismassen während der zwischeneiszeitlichen Warmperioden hinterlassen und bilden heute unsere nährstoffarmen Sandböden, auf denen aber die dennoch die leckersten Einwanderer wachsen: die Kartoffeln!
Doch nicht nur Sander hinterließen die Kaltzeiten: die Urstromtäler von Aller und Örtze entstanden gemeinsam mit kleinen Moorgebieten. Und auch bei Oberohe entstand eine Besonderheit, die unserem Landkreis bis heute eine gewisse Bekanntheit gibt, wenn es um die Geschichte der Wasserfilter geht: Kieselgur!
Wer hierzu mehr erkunden möchte, dem empfehlen wir eine doppelte Tour, bei schlechtem Wetter lohnt sich hier ein Besuch im Bomannmuseum in Celle und bei gutem Wetter ein Spaziergang um die durch den Abbau entstandenen Kieselgurteiche bei Oberohe mit anschließender Einkehr in die kleine Gaststätte in der Nähe des Wanderparkplatzes.
Frühblüher und gefährlicher Gesundmacher Huflattich
März: Der sehr anspruchslose Huflattich (Tussilago farfara) wächst gerne auf feuchten und sonnigen Standorte, wie hier an den Oldendorfer Kiesteichen. Der Korbblütler gilt als Zeigerpflanze für staunasse Böden. Aber sogar Braunkohle bietet ihm einen akzeptablen Lebensraum.
Seine schwach nach Honig duftenden, strahlend gelben Blüten erscheinen bereits im Februar und machen ihn zu einer der ersten Frühjahresblumen. Die Blüten der Pionierpflanze entwickeln sich noch vor den Blättern, deren Form einem Pferdehuf ähnelt.
Einige gefährdete Schmetterlingsarten brauchen den Huflattich als Futterpflanze und er bietet erste Nahrung für Vögel, Bienen und Käfern am Ende des Winters. In Nordamerika breitet sich die Pflanze allerdings als invasiver Neophyt aus.
Die „Heilpflanze des Jahres 1994“ gehört zu den ältesten Arzneimitteln. Bereits Griechische Ärzte empfahlen im 1. Jahrhundert den Rauch von Blättern und Blüten als Mittel gegen Husten. Heute wird vom Inhalieren abgeraten, denn beim Verbrennen entstehen schädliche Stoffe!
Zubereitungen aus der Pflanze kommen wieder in Mode. Aber Vorsicht: Keinen Huflattich aus der freien Natur verwenden, denn der enthält giftige Alkaloide, die die Leber schädigen können! Man sollte nur geprüfte Präparate aus kontrolliertem Anbau in Apotheken oder Reformhäusern kaufen. Dort werden Sonderzüchtungen mit sehr geringen Anteilen an Alkaloiden angeboten. Auch sollte Huflattich nicht täglich und auch nur in kleinen Mengen konsumiert werden! Der Handel bietet außerdem schleimlösende Huflattich-Lutschtabletten, Tees und Gurgellösungen an.
Die Pflanze hat darüber hinaus einen sehr praktischen Wert: Die großen Blätter sind sehr weich und haben auf der Unterseite feine Härchen. Waldläufer, Wanderer und andere Naturfreunde schätzen den Huflattich als natürliches Toilettenpapier.
Innehalten und mit der Natur atmen
März: Ist es nicht herrlich, wenn die ersten Sonnenstrahlen Wärme bringen? Blaustern, Maiglöckchen und andere Frühblüher überziehen die Gärten mit bunten Farben und streicheln die Seele aus der Winterruhe heraus. Die Natur lädt uns ein, ihr Erwachen mitzuerleben. Und was gibt es da Schöneres als ein Picknick? Gute Plätze dafür finden wir in unserer Ecke viele und mit einer passenden Decke kann man es durchaus auch länger an dem gewählten Ort aufhalten.
An manchen Tagen ist es jedoch der eigene Garten, der uns erst animiert, ihm zum Beispiel neue Blumen zu schenken, vielleicht einen Baum zu pflanzen, die Hecke für die Vögel vorzubereiten, Nistkästen zu säubern und vieles mehr.
Eine Pause bei diesen Arbeiten einzulegen ist dabei genauso wichtig. Zu schauen, was man geschafft hat oder sich über die Vielfalt an Insekten zu freuen, die auch zeitig wieder in ihren Lebenszyklus starten. Bienen, Hummeln und viele andere sind nun auf der Suche nach Futter oder einem neuen Heim.
Wer in seinem Garten viel Blaustern (Scilla) finden kann, sollte sich dieser Tage einmal genau die Pollensammler ansehen und wird vielleicht an den Hinterbeinen eine etwas ungewöhnliche Farbgebung erkennen. Manch eine Biene ist so versessen auf den Blaustern, dass sie blaue Hosen bekommt. Der Imker nennt die Pollensammlung an den Hinterbeinen der Bienen Höschen, weil sie an Pluderhosen erinnern. Außerdem gibt es sogar Wildbienen, die als Hosenbienen bezeichnet werden, weil sie an den Hinterbeinen eine lange Behaarung aufweisen.
Doch nicht nur Pollensammler sind in den ersten warmen Tagen unterwegs, auch räuberische Wespen, die auf unvorsichtige Beute warten. Ganz ruhig klammert sich das Exemplar auf dem Bild an ihren gewählten Beobachtungsposten. Von der Kamera lässt sich das kleine Tier nicht stören, weiß es doch, dass es schneller ist als der Mensch dahinter. Wohin der wachsame Blick des Insektes gerichtet ist, lässt sich für uns nur schwer ergründen.
Ob es einfach inne hält um wieder in den Rhythmus der Natur einzutauchen? Für uns Menschen ist es auf jeden Fall wichtig immer mal wieder mit einer kleinen Pause der Frühjahrsmüdigkeit zu begegnen und Energie zu tanken!
Unterwegs mit einer kleinen Waldameise
April: Der Frühling zeigt was er kann. Sonnenschein und eine leichte Brise umschmeicheln Ohren, Nase und Mund. Insekten surren und Vögel singen. Der Weg führt uns in die Heideflächen im Hermannsburger Tiefental. Ortskundige kennen die kraterförmige Vertiefung am Waldrand. Das große kreisförmige Loch verdankt seine Entstehung wohl nicht dem Einschlag eines Meteoriten, sondern vermutlich dem Abbau von Kies für Bauzwecke.
Überall auf dem sandigen Heideboden krabbelt es. Ein schwarz glänzender und grotesk aufgedunsener Ölkäfer kommt nur langsam voran. Pummelige Hummeln schwirren von Blüte zu Blüte, um den Supertreibstoff Nektar zu bunkern.
Und da ist noch diese flinke Waldameise. Wie viele Begegnungen hatte sie heute wohl auf ihrer Dienstreise? Musste sie alten Getränkedosen, Glasscherben oder Plastikmüll ausweichen oder einfach darüber krabbeln?
Bisher gibt es keine ultraklitzekleine Kamera, die auf den Rücken des Krabbeltieres geschnallt, uns die Reise live verfolgen ließe. Dann könnte man vielleicht folgende Szene beobachten: Die Ameise saugt reichlich Restalkohol aus einer kürzlich weggeworfener Bierdose und torkelt danach betrunken durch die Gegend. Zwei nüchterne Ameisen müssen die im Vollrausch hilflose Kollegin vorsichtig nach Hause bugsieren.
Lässt sich der schwankende Gang nicht auch auf solider naturwissenschaftlicher Basis erklären? Albert Einstein, der geniale Physiker mit der 10.000 Volt-Struwelpeter-Frisur formulierte im Jahre 1905 seine bahnbrechende Relativitäts-Theorie. Vielleicht wird ja auch die Schwerkraft für eine alkoholisierte Kreatur relativ? Dann zieht sie nicht immer nur stur lotrecht zum Erdmittelpunkt, sondern in kurzen Zeitabschnitten abwechselnd in verschiedene Richtungen schräg in den Boden und bewirkt so den scheinbar unkontrollierten Gang. Könnte doch sein?
Wie dem auch sei: Genau im richtigen Moment gelingt mir eine Makroaufnahme des sich nach einer Heideblüte reckenden Insekts! Die Kahlrückige Waldameise (Formica polyctena) ernährt sich von einer Mischkost aus anderen Insekten und zuckerhaltigen Säften. Duftspuren führen sie am Feierabend sicher zum Ameisenbau zurück, der höchstens 50 m entfernt sein sollte. Waldameisen leben ober- und unterirdisch in einem Staat mit typischerweise 1 Million Individuen.
Der oberirdisch sichtbare Hügel aus Nadeln und Stöckchen wird fälschlicherweise vom Volksmund als „Ameisenhaufen“ verunglimpft. Die korrekte Bezeichnung lautet „Ameisennest“. „Ameisen bauen ein Nest und Hunde machen einen Haufen!“ Diesen prägnanten Merksatz hörte ich von einem ameisenkundigen Kraftstrom-Strippenzieher und Elektrogelöt-Heilemacher. Abends ist er Co-Gastgeber und Hopfenschorle-Tankwart in einem Etablissement für betreutes Trinken.
Mit wachsender Beliebtheit erfreuen sich Ameisen als Haustiere! In einem gläsernem Formikarium können Liebhaber die spannende Welt der Ameisen bequem von zu Hause aus verfolgen. Selbstverständlich dürfen Waldameisen als geschützte Art nicht mit nach Hause genommen werden! Der Handel empfiehlt zum Einstieg die pflegeleichte Ameisenart Lasius niger. Allerdings sind regelmäßig Maßnahmen gegen das Ausbüxen der Kolonie erforderlich. Ein Film aus Paraffinöl auf die Oberkante des Glasrandes hat sich bewährt. Sonst herrscht bald das große Krabbeln im Wohnzimmer.
Löwenzahn, die talentierte Pusteblume
Mai: Ihn nicht zu entdecken ist eine Kunst. Der Gewöhnliche Löwenzahn (Taraxacum sect.) liebt mit Nährstoffen vollgepumptes landwirtschaftliches Grünland. Vollgepumpt mit tierischer Gülle. Solche Fettwiesen verwandeln sich zur Hauptblütezeit im April und Mai zu einem gelb gepunkteten Mosaik aus durchaus 1 Million Exemplaren pro Hektar.
Die Pflanze aus der Familie der Korbblütler verankert sich bombenfest im Untergrund, denn die fleischige Pfahlwurzel dringt über einen Meter tief in den Boden ein. Die schlanken Früchtchen mit den haarigen Flugschirmen lösen sich durch Wind und verbreiten sich auf diese Weise weiträumig. Die zarte „Pusteblume“ durchstößt mit ihren Bärenkräften sogar einen massiven Straßenbelag aus Asphalt-Bitumen, wie es im Vorspann der beliebten Kinderserie „Löwenzahn“ mit dem latzbehosten Peter Lustig im Fernsehen gezeigt wird.
Die markante Blattform erinnert mich eher an das scharfe Sägeblatt einer großen Bügelsäge, als an die Kauwerkzeuge einer blonden Großkatze. Stand der namensgebende Biologe damals unter der berauschende Wirkung einer selbstgedrehten Sportzigarette?
Die jungen Blätter ergeben einen leicht bitteren Salat. In den Notzeiten nach dem 2. Weltkrieg wurde aus den Wurzeln ein Ersatzkaffee hergestellt – Wir hatten ja nichts! In der Volksmedizin wird der weiße Stängelsaft gegen Warzen und Hühneraugen empfohlen. Oder ist der gelbe Saft des Schöllkrautes das Mittel der Wahl? Noch schonender ist die Besprechung der Warzen, also schonender für die Warzen, die nicht an die Wirksamkeit glauben und deshalb nicht dran glauben müssen. Frei von Nebenwirkungen ist auch die Behandlung mit verdünntem Wasser und überteuerten Zuckerkügelchen. Denn ohne Wirkstoffe keine Wirkung, oder doch?
Seit einigen Jahren produziert die Firma Continental einen Naturkautschuk aus den dicken Wurzeln des Russischen Löwenzahn und verarbeitet es serienmäßig zu Fahrradreifen. Dafür gewann das Unternehmen im Jahre 2020 den „Deutschen Nachhaltigkeitspreis“ in der Kategorie „Verantwortungsbewußtes Design“. Eine runde Sache.
Waldeidechsen: Rettung durch Selbstamputation
Juni: Auf einer kleinen Heidefläche am Rande des Truppenübungsplatzes Munster-Süd entdeckten wir eine Waldeidechse (Zootoca vivipara), die gerade in einer sandigen Wagenspur ein Sonnenbad nimmt. Das wechselwarme Reptil tankt die Sonnenenergie, um beweglich zu bleiben.
Das für Menschen harmlose Reptil bewohnt ein gigantisches Gebiet: Ein 1000 km breiter Streifen von Irland in Westeuropa bis zur Halbinsel Sachalin im fernen Osten Russlands. Ganz grob über den linken Daumen gepeilt kommen da 12 Millionen km² zusammen! Mit dieser Zahl kann natürlich kein Mensch was anfangen; also muss ein anschaulicher Vergleich mit etwas Bekanntem her.
In Fußballdeutschland rechnet man Flächen standardmäßig in Fußballfelder mit je einem Fußball um. In dieser Währung ergeben sich gut 1,68 Milliarden davon!
Mit so vielen Fußbällen könnte man theoretisch eine gigantische Pyramide aufstapeln: Je 1715 Bälle pro Kante und 1715 Schichten übereinander! Ein Bauwerk mit quadratischer Grundfläche und einer Kantenlänge von 377 Meter. Das Gesamtgewicht der Fußbälle entspricht 12 unsinkbaren Titaniken und 14 sturmfesten Eifeltürmen. Beide Kolosse wurden von ölverschmierten Arbeiterhänden einzeln vernietet.
Waldeidechsen nutzen einen verblüffenden Trick zur Selbstverteidigung: In größter Not werfen sie das Ende ihres Schwanzes ab, welches dann noch einige Sekunden zappelnd als scheinbare Minischlange die Aufmerksamkeit des verdutzten Angreifers auf sich zieht! Die Eidechse nutzt diese Zeit zur Flucht.
Mit einem Steinhaufen im naturnahen Garten haben Häuslebauer gute Chancen die „kleinen Drachen“ direkt vor der Haustür zu beobachten. Leider werden Eidechsen in menschlichen Siedlungen oft Opfer von streunenden Katzen, da hilft auch eine Glocke um den Hals nicht.
Schlangenzunge
Juni: Wer denkt bei dieser Bezeichnung an eine Pflanze? Verbinden viele Menschen doch eher eine charakterlich schlechte Figur durch die Bücher und Filme von J.R.R. Tolkien mit diesem Namen. Diese erfundene Figur vergiftete den König des Reitervolkes und wirft damit ein schlechtes Bild auf die echte Schlangenzunge. Der Spitzwegerich (Plantago lanceolata) ist nämlich auch unter diesem Namen bekannt. Weitere Volksnamen sind Spießkraut, Lungenblattl, Wundwegerich oder Heilwegerich.
Somit ist schon bei den letzten beiden Bezeichnungen erkennbar, dass der Spitzwegerich zu den wohl bekanntesten und ältesten Heilpflanzen gehört. Seine Kräfte, bzw. Wirkstoffe sind sehr vielseitig und Hilfe wird in Anspruch genommen bei Atemwegsinfekten mit Husten, entzündlichen Veränderungen der Haut und einiges mehr.
In der Medizin findet er häufig als Tee, Presssaft oder Sirup Anwendung. Zur Arzneipflanze des Jahres 2014 wurde er wegen seiner entzündungshemmenden, blutstillenden und antibakteriellen Wirkung gewählt.
In den Mangelzeiten nach den Weltkriegen und der Weltwirtschaftskrise erinnerten sich viele Menschen daran, dass die Schlangenzunge als Salatersatz hervorragend zu nutzen war. Für Kinder ist es toll zu wissen, dass frische, zerriebene Blätter bei Insektenstichen und Brennesselkontakt sehr gute Erste Hilfe leisten können. Doch auch kulinarisch ist die kleine Pflanze nicht zu verachten: die Blütenknospen können zu einem Kapernersatz verarbeitet werden:
2-3 Handvoll Blütenknospen, 300 ml Apfel- oder Weinessig, 120 ml Wasser, Salz, nach Belieben 1 TL Zucker
Alle Zutaten kurz aufkochen und in kleine, sterile (ausgekochte) Gläser füllen. 4 Wochen müssen die „Kapern“ ziehen, bevor man sie genießen kann. Wer nicht so lange warten möchte, kann sich frische Knospen als Champignonsersatz in den Salat mischen.
Blitz und Donner
Juli: Es hätte ein gutes Jahr für die halbwüchsige Birke auf dem Haußelberg werden können. Regen bis zum Abwinken, kein Sturm, genug Wärme und viel Sonnenschein, also ideale Wachstumsbedingungen. Doch in der Nacht zum 1. Juli nimmt ein mächtiges Gewitter mit Starkregen von 50 Liter pro Quadratmeter die Südheide an den Kanthaken!
Stundenlang flackert es hell am nächtlichen Himmel. Es erinnert mich an das namensgebende Blitzlichtgewitter, wie Fernsehgucker es von Premieren der Hollywood-Filme kennen, wenn Stars und Sternchen auf extravaganten High-Heels und in maßgeschneiderten Smokings über den roten Teppich stolzieren und dutzende Fotografen diese Menagerie der Eitelkeiten für ihre sensationslüsternen Revolver-Blätter und mit Klatsch und Tratsch vollgesogene Wartezimmer-Gazetten ablichten.
Nun ja, jetzt aber wieder zurück zum eigentlichen Ereignis:
Eine auf der Heidefläche einzeln stehende Birke wird von einem Blitz (Fulgur furioso) getroffen! Die Wucht des Einschlages entrindet den Stamm des Laubbaumes bis in 4 m Höhe komplett! Zerfetzte Borkenstücke fliegen 10 m weit weg durch die Luft. Die skalpierte Birke zeigt sich nun nackt in einem leuchtendem Kupfer-Orange in der kargen Heidelandschaft.
Auch eine benachbarte Kiefer trifft der Blitz und sprengt einen veritablen Graben ins Erdreich, der sich zum 5 m entfernten Sandweg schlängelt! Wurzelfetzen mit Erde hängen überall in den Ästen – ein skurilles Mobile!
Ich könnte jetzt noch viel angelesenes Halbwissen über Entstehung eines Blitzes durch Ladungstrennung, Erd- und Kugelblitze, Energie und dergleichen aufschreiben, aber ich möchte die geneigte Leserschaft nicht mit profaner Faktenhuberei langweilen.
Aber wußten Sie, dass in Blitzen Ströme von 100.000 Ampere fließen und sich Spannungen von mehreren Millionen Volt zwischen Wolken und dem Erdboden aufbauen?
Übigens: Die scheinbare Volksweißheit bei Gewittern: „Buchen mußt du suchen, Eichen sollst du weichen!“ beruht auf der Beobachtung, dass an einer Buche keine Blitzschäden erkennbar sind, an Eichen jedoch die Borke streifenartig vom Blitz abgelöst wurde. Die Erkärung: Am glatten Stamm der Buche läuft das Regenwasser als geschlossener Film ab und der Blitz kann darüber schadlos in den Erdboden abblitzen.
Dagegen bleibt die grobborkige Rinde der Eiche an vielen Stollen trocken und deshalb sucht sich der Blitz seinen Weg unterhalb der Rinde, die dann durch den Explosionsdruck des Wasserdampfes vom Stamm weggesprent wird. Es ist keine gute Idee bei Gewitter Schutz unter einem Baum zu suchen. Also gilt: „Bei Blitzgefahr komme weder Eiche, Buche noch Birke zu nah!“
Libellchen – jahrhundertealter Ideengeber?
Juli: Kennt noch jemand Libellchen aus dem Film „Bernhard und Bianca“? Als Kind hatte ich das Hörspiel zum Film auf Kassette. Jedes Mal war ich wieder völlig gefesselt von dem Teil in dem Libellchen im Turbotempo über das Wasser zischt, ein Blätterboot manövriert und all seine Kräfte in die Rettung des Waisenmädchens Penny gibt. Allerdings kommen die Fluggeräusche im Film etwas schrill-verzerrt, ähnlich eines nervösen Modellflugzeuges, rüber.
Wer schon eine Libelle in ihrem Lebensraum beobachten konnte, stellt fest, dass sie sehr leise Flieger sind. Ungewöhnlich mutet auch ihr Talent an im Flug in der Luft zu stehen. Das ist durch ihre besonderen Flügel, die Muskeln der Flügel und ihre Körperform möglich. Die Adern, die in den Flügeln verlaufen, sind im Zickzack angeordnet, was für eine außerordentliche Stabilität sorgt. Selbst bei schnellen Bewegungen oder Windstößen bleiben die filigran wirkenden Flügel ohne Verletzungen.
Dazu kommt ihre Fähigkeit, die beiden Flügelpaare auch unabhängig voneinander zu bewegen. Das ermöglicht es den Libellen, abrupte Richtungswechsel zu vollziehen, in der Luft stehen zu bleiben oder bei einigen Arten sogar rückwärts zu fliegen. Einige Arten erreichen beim Flug sogar eine Maximalgeschwindigkeit von 50 km/h! Das ist doch wirklich rekordverdächtig!
Der lange Hinterleib sorgt noch zusätzlich für Sicherheit bei den teils waghalsig anmutenden Flugmanövern der Libellen. Aus diesem Grund haben sich Menschen bei der Entwicklung von Fluggeräten, Schiffen und anderen technischen Errungenschaften ein Beispiel an diesen bemerkenswerten Tieren genommen. Schon vor über 500 Jahren nutzte der Universalgelehrte Leonardo da Vinci seine Beobachtungen zu Entwicklung der Luftschraube, einem Vorläufer des Hubschraubers.
Die Libellen benötigen ihr kunstfliegerisches Können für die Jagd auf andere Insekten. Sowohl als ausgewachsenes Tier als auch in der im Wasser lebenden Larvenform fangen sie andere Insekten, aber auch konkurrierende Artgenossen. Libellchen begegnete uns auf einer Radtour an einem sonnigen Tag in einer blühenden Heidefläche. Ihre Nachkommen waren bestimmt schon in dem nahe gelegenen Teich zu finden.
Fliegen: Gejagte oder Jäger?
August: An manchen Tagen treibt es einen nicht unbedingt in Wälder oder Wiesen. Während die warmen Sommertage das Leben von vielen kleinen Tieren positiv beeinflussen, sind wir Menschen doch eher dazu geneigt uns ein schattiges Plätzchen zu suchen und die heißesten Stunden in möglichst angenehmer Form zu verbringen: mit einem kühlen Getränk.
Auch im Reich der Insekten gibt es schattensuchende Heimlichtuer. Jäger und Gejagte suchen sich Verstecke zwischen den Blättern, um dort ihrem Tagewerk nachzugehen.
Da genügt manchmal ein genauer Blick in den Garten um direkt Zeuge eines Mordfalles zu werden. An einem Tag mit hitzigen Temperaturen im August saßen wir also im Schatten und beobachteten die Welt der kleinen Tiere im Rhododendron. Eigentlich hatten es uns die hübschen Zikaden angetan. Mit ihrer „Bemalung“ waren sie gut getarnt und ließen es sich zwischen den Blättern wohl ergehen.
Mit einem Mal erweckte ein etwas größeres Tier unsere Aufmerksamkeit. Bei genauerer Betrachtung war es ein „Doppeltier“ Wir wurde Augenzeuge eines Mordes! Eine Raubfliege war erfolgreich gewesen und hatte sich mit ihrem Opfer, einer anderen Fliegenart, direkt neben unserem Beobachtungsposten niedergelassen. Mit geübtem Griff hatte sie ihre Beute für sich bequem platziert und war nun dabei sich „Speis und Trank“ schmecken zu lassen. Von der Kamera ließ sie sich überhaupt nicht beeindrucken. Auch dass wir sie auf frischer Tat ertappt hatten, war in keinster Weise besorgniserregend für die Raubfliege. Die Rechtsprechung der Natur war ihr geläufig und somit hatte sie sich vorsichtshalber ein geschütztes Plätzchen gesucht um nicht vom Jäger zum Gejagten zu werden.
Bienenwölfe: geheimnisvolle Wesen in der Heide
September: Man sagt, dass vor über 100 Jahren der Wolf in der Heide, ja in ganz Deutschland ausgestorben war. Nun ist er wieder eingewandert und sorgt für erhitzte Gemüter. Doch für mich war der Wolf nie weg!
Gibt es doch in der kleinen Tierwelt so viele großartige Bezeichnungen: Ameisenlöwe, Blattlauslöwe und Wolfsspinne gehören zu den bekannteren Exemplaren bei Naturfreunden.
Der Wolf, der nie weg war, gehört auch zu den wenig beachteten Insekten. Imker wissen an dieser Stelle schon genau, welchen besonderen Wolf ich meine: den Bienenwolf (Philanthus triangulum)!
Dieses besondere Insekt hat sich in seiner Geschichte auf die Jagd von Bienen spezialisiert. Wie bei den meisten Grabwespen jagen bei diesen Wölfen nur die größeren Weibchen des Imkers liebstes Tier: die Honigbiene (Apis mellifera).
Die Jagd auf die Honigbiene findet tatsächlich nur zur Erhaltung der eigenen Art statt. Die erbeuteten Bienen werden von den weiblichen Bienenwölfen betäubt und in die Brutkammern zu den gelegten Eiern gebracht. Irgendwie witzig: die Eier erhalten unterschiedlich viele Vorräte, denn so werden die beiden Geschlechter „bestimmt“ Die zukünftigen Männchen erhalten eine Biene weniger.
Der Weg zu diesen Kammern kann bis zu einem Meter in die Erde hineinreichen. Erstaunlicherweise schaffen es Grabwespen ihre Behausung für den Nachwuchs selbst zu graben. Was für Kräfte, Ausdauer und Kunstfertigkeit diesen Tieren eigen ist!
Und nicht nur das! Forscher haben herausgefunden, dass Bienenwölfe verschiedene Mechanismen entwickelt haben, um ihre Nachkommen vor den kleinsten Gefahren zu schützen. Begeisterung löst bei mir aus, dass weibliche Bienenwölfe in ihren Antennen ein Bakterium kultivieren. Das Sekret, welches die Bakterien produzieren, wirkt antibiotisch und sorgt bei Anwendung dafür, dass die gelähmten Bienen nicht verderben, die Eier und später die Larven geschützt sind. Wenn die Larven sich verpuppen, spinnen sie die Antibiotika-produzierenden Bakterien in ihren Kokon mit ein.
Wer also diese erstaunlichen Wölfe beobachten möchte, kann dies in seinem Lebensraum ganz gefahrlos tun: Sandflächen, trockene Heideflächen und Steilhänge gehören zu den bevorzugten Lebensräumen und sehr oft findet man auch mitten auf den Spazierwegen in unserem nahen gelegenen Naturpark kleine Eingänge mit etwas aufgehäuftem Sand. Geduld und Sonnenschutz helfen bei der Beobachtung dieser genialen Spezialisten.
Die Rötliche Kohlenbeere schmeckt weder süß noch sauer
Oktober: Sanftes Herbstlicht, Windstille und eine angenehme Kühle. Der Goldene Oktober markiert den Höhepunkt der Pilzsaison; ein Grund mehr im Wald herum zu streifen. Am Fuße einer alten Buche entdecke ich einen kürzlich abgebrochenen armdicken Ast mit vielen orange leuchtenden Knubbeln drauf.
Aber es sind keine süßen Früchte, sondern Pilze der Art Rötliche Kohlenbeere (Hypoxylon fragiforme), die geruchlosen, erbsengroßen Schrumpeleier können zwar ganzjährig aufgespürt werden, landen aber nicht im Pilzkorb, denn sie gelten als ungenießbar.
Bisher kannte ich die auch nur als schwarz verschrumpelte reiskorngroße Pusteln auf der Rinde von Buchen. Doch diese Exemplare ähneln winzigen Mandarinen oder Golfbällen. Das Szenario könnte auch als picke-packe voller Acker mit reifen Kürbissen dienen, wo mausgroße Hobbit-Däumlinge für einen Fantasy-Film dazu drapiert wurden. Wie könnte diese Geschichte wohl erzählt werden? Vielleicht hegen und pflegen sie die Schrumpeleier? Oder werden sie die Kürbisse demnächst ernten.
Streng genommen sind die winzigen Körner auf der „Schale“ die Fruchtkörper und die „Mandarinen“ lediglich ein Pilzgeflecht. Auch die Erdbeeren haben sich für diese Bauweise entschieden. Die Erdbeere selbst ist nur eine saftige Scheinfrucht. Die wirklichen Früchte sind die kleinen gelben Nüsschen darauf.
Der Pilzkorb bleibt diesmal leer, dafür landen einige gute Pilzfotos auf der Speicherkarte meiner digitalen Kompaktkamera. Eines findet sogar den Weg auf die entsprechende Seite der Internet-Enzyklopädie Wikipedia.
Die fabelhafte Welt des Fliegenpilzes
Oktober: Herbsttage sind für die meisten Menschen auch Sammeltage. Neben Schlehen und Hagebutten sind vielen Menschen Pilze die liebsten Sammelstücke. Häufig werden Maronen und Steinpilze gesammelt, aber auch Krause Glucke, Birkenpilz und Flockenstieliger Hexenröhrling stehen bei dem ein oder anderen Sammler auf der Speisekarte.
Der Pilz des Jahres 2022, der Fliegenpilz (Amanita muscaria), wird hingegen hierzulande stehen gelassen. Seine Giftigkeit ist allgemein bekannt und auch seine rote Hutfarbe ist für uns eine Warnung. Am liebsten geht der Fliegenpilz eine Verbindung mit Birken oder Fichten ein, die wie er saure Böden bevorzugen. Baum und Pilz tauschen auf diesem Wege verschiedene Nährstoffe aus: der Baum gibt dem Pilz Zucker und der Pilz z.B. Phosphor und Stickstoff an den Baum. Eine perfekte Symbiose für die Partner.
Doch leider gibt es auch eine negative Wirkung des Stickstoffs im Boden auf Pilze, die eine Verbindung mit Bäumen eingehen: Studien zeigen, dass mehr Stickstoff in Wäldern zu einer Abnahme von sogenannten Mykorrhiza-Pilzen führt. Auch der begehrte Pfifferling gehört in diese Gruppe.
Bei zu hohen Stickstoffkonzentrationen bilden diese Pilze weniger Fruchtkörper und auch ihr Mycel verkleinert sich. Mit Bäumen können sie sich deswegen nur noch begrenzt vernetzten. Verschwinden die Partner-Bäume, kann der Pilz zwar unterirdisch noch lange weiterleben, doch er bildet keinen Fruchtkörper mehr. Somit ist der Fliegenpilz für sein langfristiges Überleben auf Bäume angewiesen.
Vieles ist bei diesem hübschen Pilz schon erforscht, bei einer Sache sind die Forscher sich aber noch nicht einig: die Herkunft seines Namens. Fliegenpilz, Fliegenpilz, welche Geschichte ist nun die korrekte? In der Geschichte von Alice im Wunderland macht er ihre Verwandlung rückgängig, bei den Berserkern soll er für ihre Wutausbrüche gesorgt haben, Priester verschiedener Kulturen sollen mit seiner Hilfe Kontakt zu Verstorbenen oder (Natur-)Geistern aufgenommen haben.
Doch den meisten Menschen ist folgende Überlieferung am Geläufigsten und erscheint auch als die beste Erklärung: in früheren Zeiten wurde ein Gemisch aus Zucker, Milch und kleingehackten Fliegenpilzen aufgestellt, um den ins Haus geratenen Fliegen den Todesstoß zu geben.
Leider half das nur kurzfristig gegen die Fliegenplage, denn die schwarzen Nervensägen wurden von diesem Gebräu nur betäubt und nahmen nach einigen Stunden ihr geschäftiges Herumschwirren wieder auf, um die Bewohner des Hauses zu nerven. Doch vielleicht gibt es unter uns ja Naturschützer, die diesen Effekt zu Gunsten unserer fliegenden oder 8-beinigen Insektenfänger nutzen möchten und die betäubten Fliegen einfach vor die Tür setzen?
Stierkäfer: Spezialist für Bergbau und Resteverwerter
November: Nachdem die Heideblüte, wie zwischen Tourismusverband und Reiseunternehmen in der Zeit vom 8.8. bis 9.9. vereinbart, schon viele Wochen zurück liegt, kehrt wieder Ruhe bei uns in der Südheide ein. In der Hochsaison suchten hier viele Gäste Ruhe in einer millionenfach lila blühenden Heidelandschaft. Klein- und großbehundet, aber stets unbekatzt, ergänzten sie als bunte Einsprengsel das Farbspektrum unserer Kulturlandschaft. Krabbeltiere auf den Wanderwegen liefen allerdings Gefahr zur Spaßbeute der befellten Napf-Fresser zu werden.
An einem kühlen Herbsttag sehen wir auf einem Sandweg der Misselhorner Heide einen schwarzglänzenden Käfer mit auffälligem Körperbau gemächlich krabbeln. Es ist ein männlicher Stierkäfer (Typhaeus typhoeus), der auch im Winter seinem Tagewerk nachgeht, solange der Boden nicht gefroren ist. Neben dem Stierkäfer bereichern bei uns noch Hirsch- und Nashornkäfer die Kerbtierfauna. Die könnte man doch als Großviehkäfer zusammenfassen?
Für den Nachwuchs gräbt er nach der Paarung eine bis zu 150 cm tiefe Röhre mit seitlich abzweigenden Gängen in den Boden. An deren Ende ist jeweils eine Brutkammer eingerichtet. In diese Kinderstube legt die Käferin ihre Eier ab. Familie Stierkäfer legt großen Wert auf eine ballaststoffreiche, aber sehr einseitige Ernährung ihres Nachwuchses. Haben Burgerking und McDonalds dieses Erfolgsrezept kopiert?
Die kräftigen Käfer verwerten den Dung von Kaninchen, Schaf und Reh. Eine daraus selbstgedrehte Proviantpille wird in die Brutkammer eingebracht und dient als Babynahrung und Kraftfutter. Aus der Larve entwickelt sich dann nach einem Jahr der fertige Käfer oder eine neue Käferin.
Das „Insekt des Jahres 2024“ lockert und durchlüftet den Boden und versorgt ihn mit Nährstoffen. Gleichzeitig verhindert es durch das Vergraben von tierischen Exkrementen eine Massenvermehrung von parasitären Würmern und Fliegen. In Australien erstickten große Weideflächen in einem Meer aus Kuhfladen europäischer Rinder! Der dort heimischen Mistkäfer-Population schmeckten die fremdartigen Exkremente nicht und diese blieben einfach liegen.
Der Kraftprotz kann Kotkugeln bis zum 1000-fachen seines Körpergewichtes durch die Gegend rollen! Man stelle sich einen Arbeiter mit gelber Warnweste vor, der eine gut 5 Meter hohe und 72 Tonnen schwere Kugel aus zusammengepappten Kaninchenkötteln über die Landstraße rollt! Lieber nicht.
Wassertropfen, kleine Lichter ganz groß
November: An manchen grauen Tagen, wenn die Wolken uns Nieselregen bescheren und wir so motiviert sind dem Wetter die Stirn zu bieten, kann uns ein Lichtermeer auf ungewöhnliche Art begegnen. Das Lichtermeer, welches uns staunen ließ, befand sich auf einer kleinen, umgemähten Wiese. Die Gräser dort hingen voll kleiner Wassertropfen, in denen sich das Licht brach. So sah die Wiese mitten im Übergang der Jahreszeiten aus, als sei sie mit Schnee bedeckt.
An jedem Halm hingen kleine Tropfen an allen möglichen Stellen. Erstaunlich war, dass die Gräser alle noch ohne Knicke waren. Weder Tier noch Mensch war über die Wiese gestapft. Einzig das Gewicht der tausenden Tropfen bewirkte einen optischen Effekt, der die Wiese wie mit Schneehügeln bedeckt aussehen ließ.
Hätten wir die Tropfen zählen können, könnten wir das Gewicht des Wassers berechnen. Ein Tropfen ist zwar eine recht ungenaue Angabe, aber man sagt das ein Tropfen etwa 0,05 g wiegt. Wer also die Tropfen auf dem Bild zählt, kann abschätzen wie viel Gewicht so ein zarter Halm tragen kann. Bei den beiden Halmen auf dem Bild haben wir grob 300 Tropfen geschätzt und würden somit auf 7,5 g Wasser pro Halm kommen.
Wer nun Lust hat, möge das Gewicht aller Tropfen der Wiese an diesem Tag errechnen: Meine Schrittlänge ist ca. 0,7 m, für die kurze Seite der Wiese benötigte ich etwa 180 Schritte und für die lange Seite der Wiese 240. Jürgens Schrittlänge muss ich schuldig bleiben, da wir nur meine Schritte gezählt haben.
Je nach Quelle wachsen auf einer Wiese bis zu mehrere Zehntausend Grashalme pro Quadratmeter! Aber auf diese Wiese wachsen noch je Menge Wilde Möhre, Sauerampfer oder Spitzwegerich und andere Wiesenpflanzen. Daher schätzen wir die Stängelanzahl auf 500 pro Quadratmeter. Wieviel Wasser hängt also als Tautpropfen an den Halmen? Hätten Sie damit gerechnet, dass demnach 80 Tonnen Wassertropfen an den Halmen diese Wiese hängen?
Die häufigsten bei uns zu findenden Gräser gehören zu den Süßgräsern, von denen es weltweit etwa 12.000 Arten gibt. Auch unsere heimischen Getreide gehören zu dieser Pflanzenfamilie. Sie prägen in vielen Teilen unserer Erde das Landschaftsbild, sind das Zuhause unzähliger Tierarten. Auch gehen einige Gräser Symbiosen mit Pilzen ein, so dass eine Wiese zu einer ganz eigenen Lebensgemeinschaft wird.
Unsere Wiesen in Mitteleuropa sind größtenteils durch das Einwirken der Menschen entstanden und zählen somit zu den Kulturlandschaften.Wie wichtig auch Wiesen für unsere Landschaft sind, zeigen ihre vielfältigen biologischen und ökologischen Aufgaben. Sie verhindern etwa durch ihr dichtes Wurzelsystem Erosion durch Wasser und Wind.
Leider sind durch die Intensivierung der Landwirtschaft die artenreichen Wiesen den weitgehend artenarmen Wirtschaftswiesen gewichen. Dadurch, das tierische Produkte für die Menschen immer günstiger hergestellt werden sollten, waren die Landwirte gezwungen ihre früher artenreichen Wiesen „modern“ zu bewirtschaften. In der Folge setzten sich schnellwachsende Gräser durch.
Wer also in Kindertagen noch über Wiesen mit vielen Blühpflanzen und verschiedensten Gräsern gelaufen ist, möge diese Erinnerung gut bewahren und der jungen Generation davon berichten. Vielleicht kennen Sie eine Wiese, die noch heute extensiv bewirtschaftet wird und zeigen diese gerne anderen Naturfreunden.
Wenn der Wildsau die Schwarte juckt ...
November: Selbst ihre derben Borsten schützen Wildschweine nicht vor dem Befall mit Zecken und noch schlimmeren Parasiten. Um sich dieser kleinen Quälgeister zu entledigen, suchen die schwarzbekittelten Allesfresser regelmäßig eine Suhle auf und wälzen sich darin ausgiebig im Schlamm. Danach geht es zu einem besonderen Baum in der Nähe an dem ihr Fell – die Schwarte – gerieben wird, um die eingeweichten Schädlinge zu entsorgen. Solange sich nur eine Sau an der Eiche reibt, juckt es sie nicht, aber wenn die ganze Rotte dort täglich ihre Fellhygiene erledigt schon. Diese sogenannten Malbäume erkennt man dann am schwarzen blank gescheuerten Stamm.
An diesen Kommunikations-Punkten tauschen Keiler, Bache und Frischling grunzend und quiekend wichtige Informationen aus. Anders als bei vielen menschlichen Plauderrunden geht es hier nicht um Smalltalk oder Tratsch, sondern typischerweise um Wegbeschreibungen zu ergiebigen Engerling-Vorkommen oder Warnungen vor streunenden Jägern, die mit ihren Donner-Stöcken die Verwandtschaft aufs Korn nehmen.
Die Jäger machen sich dieses Verhalten zu nutze und locken Wildschweine mit künstlichen Malbäumen in eine gute Schussposition. Dazu werden Bäume unten mit einem schwarzglänzenden und intensiv nach Geräuchertem duftenden Glibber – dem Buchenholzteer – eingeschmiert. Eigentlich gilt die wildschweinische Waldbevölkerung doch als intelligent. Warum hat es sich bei ihnen noch nicht rumgesprochen, dass bei verlockend duftenden Bäumen in der Nähe von Hochsitzen äußerste Vorsicht geboten ist?
Theoretisches Wissen und praktische Fähigkeiten vermittelt angehenden Jägerlingen das „Grüne Abitur“. Wie bei jeder Hochschulreife müssen sie dazu eine zweite Fremdsprache erlernen. Besonders erlebnisorientierte Jagdschüler wählen dazu oft das traditionelle „Jägerlatein“. Als Urvater dieser nicht jeden Faktencheck bestehenden Mundart gilt Hieronymus Carl-Friedrich von Münchhausen. Der sagenhafte Baron verfasste bereits im 18. Jahrhundert die noch heute vielzitierte Referenzliteratur.
Was ist eigentlich im Wald erlaubt oder verboten?
November: An der Einmündung zu einem Waldweg entdecke ich dieses in einen Baum eingewachsene Schild und frage mich, was man im Wald darf und was verboten ist.
Nach dem allgemeinen Betretungsrecht der freien Natur darf jedermann zu jeder Tages- und Nachtzeit den Wald betreten. Die Pflicht auf den Wegen zu bleiben, gilt nur für Naturschutzgebiete und wenige andere gesperrte Areale.
Pilze, Blumen, Beeren und Kräuter dürfen in geringen Mengen nach der „Handstraußregelung“ für den privaten Eigengebrauch aus dem Wald mitgenommen werden. Sicherlich auch ein paar Fichtenzapfen für die Weihnachtsdeko. Aus Naturschutzgebieten darf natürlich nichts in den Rucksack gepackt werden!
Tabu sind hingegen geschützte Pflanzen, Bäume, Brennholz, Wildtiere, Nester, Eier, abgeworfene Geweihe und sogar Federn.
Denn zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren exotische Vogelfedern ein beliebtes modisches Schmuckwerk. Vögel wurden nur wegen ihrer Federn gejagt und diese zu hohen Preisen gehandelt. Lina Hähnle gründete deswegen vor 125 Jahren in Stuttgart den Vogelschutzbundes – die Vorgängerorganisation des NABU – und startete bereits im Jahr 1910 eine Kampagne zum Schutz der Paradiesvögel.
Auch heute noch werden besondere Federn auf dem Schwarzmarkt gehandelt, denn es gibt weiterhin eine illegale Sammlerszene und weltweit werden dafür Vögel getötet. Ob das auch für Eichelhäher, Buntspecht und Graureiher zutrifft?
Beachte folgenden Grundsatz, dann bist du stets auf der sicheren Seite: „Wer in den Wald geht, darf jede Menge Fotos und gute Gefühle mitnehmen, sollte aber nur seine Fußspuren zurück lassen.“
Campen ist in deutschen Wäldern verboten. Wer sich aber ein Nachtlager aus Fichtenzweigen, Blättern und einer zwischen zwei Bäumen gespannte Zeltplane herrichtet, darf dort mit Isomatte und Schlafsack übernachten. Schließlich ist das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung in § 14 des Bundeswaldgesetzes grundsätzlich gestattet.
Und was ist erholsamer als gesunder Schlaf in der freien Natur?
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