Erdstern, Zipfelfalter und Co. – Fundstücke des Jahres 2021

Kristina Basenau und Jürgen Eggers – NABU Hermannsburg/Faßberg e.V.

Zugegeben, die Natur der Südheide ist nicht spektakulär: Um unsere Berge zu sehen, braucht man seinen Kopf nur ein wenig nach oben zu kippen. Es gibt keine Bären, wie im Yellowstone-Nationalpark. Keine Krokodile, wie in den Everglades oder im Pantanal. In Lutterbach, Wietze und Örtze verleiden keine Piranhas den Badespaß. Um sich der heimischen Fauna zu erwehren, reichen Fliegenklatsche oder eine solide Zwille meist aus.

Doch auch bei uns im norddeutschen Flachland gibt es interessante Dinge in der Natur zu entdecken. Gerade das Unspektakuläre schärft die Sinne; da genügt manchmal schon der Blick auf den Waldboden. Also einfach mal den Kopf hängen lassen und mit Neugier fröhlich nach unten schauen.

Der Dichterfürst Goethe schrieb es weiland so nieder: „Gehen ist Bewegung mit der Geschwindigkeit der Seele.

In diesem Sinne: Begleiten Sie uns auf einem Spaziergang zu den kleinen Entdeckungen am Wegesrand.

Drei Personen knieend im Wald vor großen Moospolstern einer Flußniederung
Jürgen Eggers, Sarina und Kristina Basenau
Foto: Jürgen Eggers

Haareis: Eis, so fein wie Wolle

Januar: Ein Sonntagsspaziergang zum Unterlauf der Örtze. Irgendwo zwischen Feuerschützenbostel und Wolthausen, führt er mich zu einem seltenen Naturphänomen: Haareis!

Auf dem toten Ast einer Buche entdecke ich dieses merkwürdiges Gebilde: Weiße, wattebauschartige und wellige Fäden. Ist es ein Pilz? Nein, aber tatsächlich ist ein Pilz die treibende Kraft dahinter. Und dies im wörtlichen Sinne!

An diesem Wintertag herrschen Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt und die Luft ist ziemlich feucht.

Der Stoffwechsel winteraktiver Pilze produziert bei diesen Umgebungsbedingungen Gase, die das im Holz vorhandene leicht unterkühlte Wasser an die Oberfläche drücken. Dort gefriert es zu weniger als ein Zehntel Millimeter dünnen Eiskristallen und wird durch nachdrängendes, beim Austritt aus dem Holz ebenfalls gefrierende Flüssigkeit weitergeschoben.

Haareis mit dem Aussehen eines langhaarigen alten Mannes, der einen Baum hochklettert
Haareis auf einem toten Buchenast
Foto: Jürgen Eggers

Wenn ich mir das Foto so anschaue, sehe ich schließlich nicht nur einfach gefrorenes Wasser, sondern ein langhaariges Gespenst, dass den Ast hochklettert. Oder lässt die viele frische Luft einfach meine Phantasie frei drehen?

Fichten lieben es kalt

Februar: „In dem dichten Fichtendickicht picken dicke Finken tüchtig“ sagt ein bekannter Zungenbrecher.

Doch auch ein Fichtendickicht wird mal ausgelichtet und so kann es sein, dass in dem ein oder anderen Wohnzimmer eine Fichte als Weihnachtsbaum steht.

Ein Wassergraben fließt durch einen winterlichen Wald mit schnneebedeckten Fichten
Fichtendickicht im Hermannsburger Hasselbusch
Foto: Jürgen Eggers

Anders als die bekannte Nordmanntanne birgt so eine Fichte die ein oder andere Herausforderung als Lichterbaum: er verliert seine Nadeln viel schneller, mag es sehr viel kühler und seine Zweige brechen sehr viel leichter.

Dennoch ist die Fichte ein ebenso schöner Weihnachtsbaum: durch seine Besonderheiten benötigt er viel mehr Achtsamkeit und somit können die Menschen, die einer Fichte noch eine letzte Funktion vor endgültigem Nadelverlust geben, die Weihnachtszeit viel intensiver und sogar nachhaltig begehen.

Und auch wenn der Baum längst wieder ausgezogen ist: die Nadeln lassen sich bis zum nächsten Fest finden ….

Was Tierspuren im Schnee verraten

Februar: Der Winter 2020/21 ist kalt und beschert uns seit vielen Jahren endlich wieder eine geschlossene Schneedecke. Gut zwei Wochen lang! Diese majestätische Ruhe und die kalte, klare Luft genieße ich sehr. Ideale Gelegenheit um Tierspuren in der Landschaft zu entdecken.

Vier Tritsiegel eines großen Vogels im tiefen Schnee
Fußabdrücke eines Graureihers im Schnee
Foto: Jürgen Eggers

Meist genügt ein einzelnes Trittsiegel, um die zugehörige Tierart zu bestimmen, aber manchmal gibt erst die Fährte den entscheidenden Hinweis.

So unterscheidet sich der Wolf vom Hund durch seine gradlinige, geschnürte Fährte. Kein Abweichen von der energiesparenden Ideallinie wie beim Haustier Hund, der sich stets auf seinen prall gefüllten Futternapf im warmen Haus verlässt und den Ausflug in die Natur mehr als Freizeitbeschäftigung betrachtet.

Experten können aus den Spuren im Schnee aber noch wesentlich mehr heraus lesen:

  • Wann wurde die Spur gelegt?
  • Wie schwer war das Tier?
  • Mit welcher Geschwindigkeit war es unterwegs?
  • War es auf der Jagd oder auf der Flucht?
  • War das Tier geschwächt oder gar verletzt?

Ein ziemlich kurzer Überlebenskünstler

März: Eigentlich zählt die Fichte (Picea abies) ja zu den Verlierern des Klimawandels. Der Baum kommt ursprünglich aus kühleren Höhenlagen und kann sich dort stets auf reichlich Regen und Schnee verlassen. Für die Wasseraufnahme reichen seine Flachwurzeln dort vollkommen aus.

Ein abgesägter Baumstumpf dessen Schnittfläche wieder mit Borke überwachsen ist
Ein vollständig überwallter Fichten-Stumpf
Foto: Jürgen Eggers

Aber Trockenheit und Hitze der Jahre 2018 bis 2020 setzen dem Nadelgehölz nicht nur bei uns arg zu.

Diese Exemplar des bei Sägewerken äußerst geschätzten Baumes erweist sich aber als extrem überlebensfähig. Nicht einmal die Kettensäge kann dem Brot- und Butterbaum deutscher Holzplantagen den Garaus machen!

Mit einer enormen Lebenskraft überwallt neugebildete Rinde die gesamte Schnittfläche und versiegelt die Amputation des Haupttriebes. Haben die Nachbarbäume ihn mit Wasser und Nährstoffen am Leben erhalten, wie es der bekannte Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben in seinem Buch „Das geheime Leben der Bäume“ beschreibt?

Heimliche Begegnung der tierischen Art

April: In der zweiten Aprilhälfte geht dem langen Winter allmählich die Puste aus. Endlich kann der Frühling wieder sein blaues Band flatternd durch die Lüfte ziehen: Väterchen Frost trampelt nicht mehr darauf rum.

Zum ersten Mal in diesem Jahr sehe ich, wie die vom Boden erwärmte Frühlingsluft in silbrig flirrenden Schlieren aufsteigt und hinter dem Bahndamm eine ganze Baumreihe zum Tanzen bringt.

Ein Fuchs auf einer Wiese springt im Bogen durch die Luft
Rotfuchs beim Mäusesprung
Foto: Waldemar Golnik

Halt stehenbleiben! Und jetzt den Kopf ganz langsam nach rechts drehen!“, befiehlt mir meine innere Stimme. Und ich gehorche.

Ein Rotfuchs (Vulpes vulpes) durchstreift in eigener Sache im Zickzackkurs die angrenzende Wiese, macht zwischendurch kurz Halt, legt sich ins hohe Gras und scheint dabei die Frühlingssonne zu genießen.

Ich verharre regungslos auf dem Waldweg, aber nach einer langen Weile hat mich Meister Reineke doch noch bemerkt, hebt den Kopf, dreht ihn in meine Richtung und verschwindet zügig, aber ohne Panik, im Dickicht.

Aprilwetter mit Überraschung

April: Ein warmer, regnerischer Tag im April, meine Tochter darf das erste Mal nach dem Spielen alleine nach Hause gehen. Eigentlich ein Weg von 5 höchstens 10 Minuten. Ich werde unruhig, schaue aus dem Fenster, immer wieder …

15 Minuten, vielleicht auch 20 Minuten: ich halte es nicht mehr aus, ziehe mich an und möchte ihr entgegen gehen. Als ich die Haustür öffne, ist meine Tochter gerade angekommen. Ein Gefühl der Erleichterung und Überraschung trifft mich: da steht sie, zwei kleine Eimer in den Händen, die Jacke zusammengeklemmt unter den Armen.

Ein Schnecke mit Gehäuse auf einem trockenem Blatt
Schneckenpause
Foto: Kristina Basenau

In den Eimern kriecht es: rauf und runter, kreuz und quer, drunter und drüber. Als ich ihr die Jacke abnehme: wieder ein Kriechen und Krauchen … Beim Bummeln ist sie doch tatsächlich auf die Idee gekommen ihre Lieblingstiere zu retten: Schnecken!

Die Faszination für diese Tiere begleitet uns bis heute. Schnecken und ihre Verwandten sind so vielfältig in Form, Farbe, Größe und Intelligenz! Fantastisch! Sie können Wände erklimmen, scharfen Kanten trotzen, sogar Teile ihres Körpers wieder neu entstehen lassen.

Land und Wasser haben sie erobert, helfen Vermodertes und andere Reste der Natur wieder in den Kreislauf zu bringen.

Den Geretteten von damals, bei 150 Tieren hörten wir auf zu zählen, haben wir in Omas und Uropas Gärten ein neues Zuhause gegeben. Noch heute haben Schnecken einen besonderen Platz in unserem Leben. Schaut euch diese kleinen wunderbaren Tiere doch mal genauer an!

Landluft zum Genießen und Weglaufen

April: Der leicht würzige, verholzt-grasige und leicht muffige Geruch alter Brennnesseln und das Aroma von Wald und Moor mischen sich in meiner Nase zu einem vorfrühlingshaften Duft-Cocktail.

Eine Wohltat nach den vielen Wochen geruchloser Kälte und Dunkelheit. Aber schon wenige hundert Meter weiter liegen ganz andere Gerüche in der Luft: faulig, stechend und mit einer ausgeprägt animalischen Note. Echte Landluft im schlechtesten Sinne!

Was im besten Beamtendeutsch als „Verwertung von Stoffwechsel-Endprodukten domestizierter Großvieheinheiten“ verschachtelt daher kommt, ist in der Praxis eine anrüchige Sache, wie der Feldtest beweist.

Ja, wir reden hier von der zusammengerührten Notdurft von Schwein und Rind! Pikant gewürzt mit einem bunten Strauß von Wachstumshormonen und fein abgeschmeckt mit allerlei Antibiotika. Gülle in Hülle und Fülle – Bäh! Ihgitt! Pfui Deibel!

Ein großes Fahrzeug mit Gülletank fährt über einen Acker
Gülleausbringung im großen Stil
Foto: Jürgen Eggers

Leider wird der „Schwedentrunk“ für gutes Geld zunehmend von sonst wo her angekarrt, weil die dortigen Böden keinen einzigen Schluck der stinkenden, grünbraunen Lorke mehr vertragen.

Von dieser bäuerlichen Stickstoff- und Nitratdusche geht mehr Unheil aus als eine schiefe Nase und zugekniffene Augen: Wird zu viel Gülle auf die Felder geodelt, sickert die überschüssige Brühe langsam aber sicher bis ins Grundwasser hinab, denn das Wurzelwerk von Mais, Mais und Mais ist bis über beide Ohren satt und überlässt der Schwerkraft den Gang der Dinge.

Mit fatalen Folgen: Der Pflanzendünger Nitrat mutiert bei der Bodenpassage ins sauerstoffarme Milieu zum krebserzeugenden Menschengift Nitrit.

Zwei sehr ähnlich klingende Substanzen mit unterschiedlicher Gefährlichkeit. Das gilt auf für das größtenteils harmlose Urin im Vergleich zum radioaktiven Uran.

In beiden Fällen sind doch nur die Buchstaben a und i vertauscht, was kann da schon schiefgehen? Kleine Ursache mit großer Wirkung.

Getarnt und doch gefunden!

Mai: Da, was ist das für ein hübscher Falter? Vorsichtig pirsche ich mich an. Nanu? Wo ist er jetzt hin? Jetzt! Habe seinen Trick entdeckt: Er legt sich einfach auf das Blatt! Was für ein Künstler!

Mit seinen farblich passenden Flügeln verschmilzt er fast mit seiner Umgebung. Sein scheinbar unwillkürlicher Flug wird getragen von seinen genialen Flugwerkzeugen:

Ein metallisch grün glänzender Schmetterling auf einem grünen Blatt eriner Buche
Gut getarnter Zipfelfalter
Foto: Kristina Basenau

Sie sind eine herrliche Besonderheit. Winzige übereinanderliegende Schuppen zaubern eine Vielfalt an schillernden Farben, die für Erkennung, Tarnung und andere Zwecke vom Falter eingesetzt werden.

Nebenbei ergeben die Nanostrukturen kleine Kammern, die mit Luft gefüllt sind und den Auftrieb beim Fliegen dieser wundervollen Insekten ermöglichen.

Nehmt euch Zeit und schaut diesen zarten Flugkünstlern zu! Dieser Kamerad, ein Blaugrüner Zipfelfalter, ist unter anderem im Pietzmoor zu beobachten.

Von wegen Angsthase!

Mai: Bei einem Spaziergang durch die „Niederoher Prärie“ kann ich von einer tierischen Begegnung berichten. Wie ich so die weite Landschaft nach geeigneten Fotomotiven absuche, kommt plötzlich aus dem Nichts ein Feldhase (Lepus europanes) von links ins Sucherbild gehoppelt.

Er bewegt sich weiter in meine Richtung und scheint mich überhaupt nicht zu bemerken oder ignoriert mich einfach.

Ein Hase im Profil auf einem Feld mit Gras
Ein sehr vertrauensvoller Feldhase
Foto: Jürgen Eggers

Als Meister Lampe kaum 20 Meter neben mir kurz stehen bleibt macht es Klick und ich habe sein Antlitz beinahe formatfüllend abgelichtet. Das Auslösegeräusch der Kamera bewirkt auch keinen Wechsel zu einer schnelleren Gangart. Das Hoppeltier macht selbst dann keine Anstalten zur Flucht als ich die Kamera absetze und es direkt anschaue.

Werden die Hasen der Südheide irgendwann auch so unscheuchbar wie die aufdringlichen Ziegen im Müdener Wildpark?

Das Pietzmoor kann wieder wachsen

Mai: Schon seit mehreren Jahrzehnten wird an diesem Projekt gearbeitet: die Renaturierung des Pietzmoores bei Schneverdingen. Als damit begonnen wurde, war ich noch nicht geboren.

Ein See in einem Moorgebiet mit wenigen Kiefern und Wolkenhimmel
Alter Torfstich im Pietzmoor
Foto: Kristina Basenau

Faszinierend ist, dass ich das Moor schon seit fast 30 Jahren immer wieder besuche und bei jedem Besuch die Entwicklung sichtbar ist. Beim letzten Spaziergang konnten wir ein Meer von Wollgras bewundern; die Samenstände waren ausgereift und zeigten sich in ihrem Wattebauschgewand. Sacht bewegten sie sich in dem lauen Lüftchen, welches an diesem Tag wehte.

Dadurch, dass dem Moor mehr Licht gegeben wurde, als an verschiedenen Stellen die Kiefern und andere Bäume entfernt wurden, hatte das Wollgras sogleich die Gelegenheit ergriffen und sich über diese freien Flächen ausgebreitet.

Dieser Anblick, der sich seit der neuen Veränderung bietet, ist einfach fantastisch und immer einen Ausflug wert. Zu jeder Jahreszeit, aber besonders, wenn das Wollgras puschelig ist.

Eichelhäher, Wächter des Waldes

Juli: Wussten Sie schon, dass der Eichelhäher (Garrulus glandarius) bis zu zehn Eicheln in seinem Kehlsack transportieren kann? Ein erstaunlicher Vogel mit vielen Talenten.

Die schwarzblau-gestreifte Schmuckfeder eines Eichelhähers steckt im Waldboden
Blaue Flugfeder eines Eichelhähers
Foto: Jürgen Eggers

Besonders bekannt ist Waldläufern sicher sein lauter und krächzig-rätschender Alarmruf „krschäääh“ mit dem er alle Waldbewohner vor Gefahren warnt.

Zudem ist er als Rabenvogel auch noch begabt im Imitieren von anderen Vogelstimmen, vor allem Spechte und Habichte kann der Häher täuschend echt nachahmen. Im Winter gehören auch leise glucksende, klagende Töne zu seinem Repertoire.

Früher wurde er als Nesträuber und Forstschädling fast ausgerottet, da seine Talente nicht erkannt wurden. Doch zum Glück wendete sich das Blatt und sein Bestand hat sich erholt. So können wir diesen Allesfresser wieder in Wald und Garten erblicken. Und mit ein wenig mehr Glück können wir auch eine seiner schönsten Federn finden.

Vielseitiger Rohstoff Nadelbaumharz

September: Wer liebt nicht den herben Duft von frischem Harz der Nadelbäume? Aber Fichte, Kiefer, Lärche und deren Verwandte produzieren den klebrigen Pflanzensaft nicht zur Freude des Menschen: Verletzungen am Stamm müssen schnell versiegelt werden, damit schädigende Pilze oder Bakterien nicht eindringen können. Dazu fließt frisches Harz über die verletzte Stelle, dichtet sie wieder ab und sorgt auf diese Weise für die Wundversorgung.

Frische Harz quellt aus einer Verletzung an einem Fichtenstamm
Eine mit Harz verschlossen Baumwunde
Foto: Jürgen Eggers

Ich nehme ein wenig Harz mit, um Zuhause die Wohnung mit frischem Rauchwerk zu beleben. Aber Vorsicht bei der Ernte: Bitte nur das überschüssige Harz außerhalb der Wunde vorsichtig abschneiden. Schließlich ist das „Pflaster“ für die Gesundheit des Baumes, im wörtlichen Sinne, notwendig.

Natürliches Harz mit den Hauptbestandteilen Kolophonium und Terpentin war vor der Entwicklung von Kunstharzen ein begehrter Rohstoff der chemischen Industrie. Es wurde für die Herstellung von Lacken, Papieren und Klebstoffen verwendet.

Und so arbeiten die „Harzer“: Von den Erntebäumen wird die Rinde entfernt und ein Muster kleiner Ablaufrinnen in die Stämme geritzt. Am unteren Ende der großflächigen Verletzung fließt das frische Harz in Gläser, die täglich geleert werden.

Bis zum Ende der 80er Jahre kamen in der DDR ganze Wälder unters Messer und wurden regelrecht zur Ader gelassen. Zur Hochzeit der Nutzung im Jahre 1961 erntete man dort 15.000 t Rohharz von Kiefern und 500 t von Fichten.

Waldgeister laden ein

Oktober: Der Volkskundler Reinhard Bodner definiert Waldgeister als Wesen „mit bewohnendem, besitzendem und beschützendem Verhältnis zum Naturbereich des Waldes“, aber vielleicht ist es auch einfach nur die Seele der Bäume, die wir im Wald wahrnehmen?

 

Oder sind es noch ganz andere Dinge, die uns nach einem Waldspaziergang wohlig und gereinigt fühlen lassen?

Shinrin-Yoku, japanisch für „Baden im Wald“, wird in Japan als Bestandteil eines gesunden Lebensstils gepriesen. Den Begriff hat das dortige Forstministerium im Jahre 1982 geprägt.

Shinrin-Yoku bedeutet mit allen Sinnen in die Stille und Unberührtheit des Waldes einzutauchen. An japanischen Universitäten ist Waldmedizin daher ein anerkanntes Forschungsgebiet. Seit Jahrzehnten werden dort die Auswirkungen, die ein Aufenthalt im Wald auf den Menschen hat, untersucht.

Demnach verbessert bereits ein kurzer Aufenthalt im Wald Atmung, Puls und Blutdruck. Es ist in Japan daher nichts Ungewöhnliches gegen Burnout oder Herzkreislauf-Erkrankungen eine Waldtherapie zu verordnen.

Förster Helmut Dagenbach aus Süddeutschland hat 1986 in seinem Gedicht „Doktor Wald“ den Wald ebenfalls schon als großen Gesundmacher beschrieben.

Nehmen wir doch seine Worte zum Anlass uns um den Wald zu kümmern, damit er immer unser Doktor sein kann. Auf welchem Wege, bleibt euch überlassen! Seid kreativ!

Bizarr nach außen gewachsene schlauchförmige Borke eines bemoosten Baumes
Waldgeist
Foto: Kristina Basenau

Auch in Deutschland gibt es schon einige Ansätze unter dem Schlagwort „Waldbaden“. Es ist bislang allerdings nicht als Therapieform anerkannt und wird von Krankenkassen nicht übernommen.

Etabliert hat sich bereits ein Waldtrainingsprogramm für Pflegebedürftige, entwickelt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Rund 100 Pflegeeinrichtungen in 14 Bundesländern bieten es mittlerweile an.

Das sogenannte „Lübecker Modell Bewegungswelten“ ist ein körperlich, geistig und sozial aktivierendes Präventionsprogramm für ältere Menschen, die bereits körperliche und kognitive Einschränkungen haben.

Maroni, lecker, lecker!

Oktober: Haben sie diese leckeren Nussfrüchte der Esskastanie (Castanea sativa) schon probiert? Vermutlich bislang nur auf dem Weihnachtsmarkt? Sehr lecker, sicher; aber diese kleinen, braunen Schätze verdienen viel mehr Aufmerksamkeit!

Als Klimagewinner gibt es mittlerweile in ganz Deutschland immer mehr von diesen Verwandten der Buche. Auch die Variationen an Lebensmitteln, die diese Nüsse hervorbringen, kann man immer häufiger finden!

Hast du schon mit dem Mehl gebacken? Die Maroni-Creme geschmeckt? Likör gekostet? Wenn du jemanden mit Zöliakie kennst, weißt du sicherlich auch, dass Maroni glutenfrei sind und somit als gelungener Ersatz für Mehl genutzt werden können.

Versuch doch mal dieses Gebäck:

Zwei stachelige Fruchthüllen der Eßkastanie und vier braune Kastanien
Stachelbälle und Früchte der Esskastanien
Foto: Kristina Basenau

Winterliche Maronitaler

Zutaten:

3 Eiweiß, 250 g Puderzucker, 1 Pck. Vanillezucker, 1 TL, gestr. Zimt, 1 Prise Kardamom, 350 g gemahlene Mandeln, 100 g gekochte Maronen, (Esskastanien, Konserve), 60 g Mehl, 1 TL Orangenschale, 2 ¾ TL Kakaopulver

Zubereitung:

Arbeitszeit ca. 1 Stunde, Ruhezeit ca. 2 Stunden, Koch-/Backzeit ca. 30 Minuten, Gesamtzeit ca. 3 Stunden 30 Minuten

Eiweiß zu schnittfestem Schnee schlagen, Puderzucker sieben und esslöffelweise unterheben. Von der Masse ca. 4 großzügige EL beiseite stellen.

Vanillezucker, Zimt, Kardamom und so viel Mandeln unter den Eischnee heben, dass der Teig kaum noch klebt (können auch etwas mehr als 400 g Mandeln sein). Die Maroni pürieren und mit dem Mehl, Orangenschale und 1 TL Kakaopulver unter den Teig kneten. 4 Rollen von ca. 1-Euro-Durchmesser formen, in Klarsichtfolie wickeln und ca. 2 Stunden in den Kühlschrank stellen. Den Backofen auf 130 °C (Umluft 100 °C) vorheizen. Von den Rollen ca. 1 cm dicke Scheiben schneiden, nachformen und auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech legen. Von dem beiseite gestellten Eischnee (Baisermasse) ca. 2 TL abnehmen und mit dem restlichen Kakaopulver verrühren.

Helle Baisermasse auf die Taler geben, einen Tropfen Kakaobaiser in die Mitte setzen und mit einem Holzstäbchen einen Stern ziehen. Auf der mittleren Schiene ca. 15 Min. backen, dann die Temperatur auf 100 °C (Umluft 80 °C) reduzieren und nochmals ca. 15 Min. weiterbacken.

Ergibt ca. 2 Backbleche voll. Die Taler schmecken am besten, wenn sie ein paar Tage durchgezogen sind. Durch die Maroni bleiben sie innen recht feucht und weich.

Wenn alte Bäume erzählen könnten …

Oktober: Alter gilt in modernen Gesellschaften als Sinnbild für Schwäche, Hilfsbedürftigkeit und Siechtum. Bei Bäumen ist es gerade umgekehrt: Mit alten Bäumen verbinden wir Stärke, Lebenserfahrung und Vitalität – je älter, desto schöner. Sogar tote Bäume strahlen noch Würde aus und bieten wertvollen Lebensraum für Wildbienen, Käfer und Pilze.

Zwei alten und bemooste Buchen wachsen in einem ehemaligen Hutewald
Alte Buchen am Schillohsberg bei Lutterloh
Foto: Jürgen Eggers

Ihre Namen klingen in der Sprache der Wissenschaft elegant: Qercus, Picea und Fagus. Bei uns sind sie nicht weniger poetisch als Eiche, Fichte und Buche bekannt. Im Schatten alter Bäume finden Menschen Inspiration und Entspannung. Alte Bäumen faszinieren mich – sie strahlen eine mystische Aura aus!

Der Volksmund sagt zur Buche:

Hundert Jahre kommt sie,
hundert Jahre steht sie,
hundert Jahre geht sie.

Aus einer kleinen Buchecker wächst ein stattlicher Baum heran, der nach 200 Jahren langsam zu Totholz zerfällt. Aber Totholz ist keineswegs so tot wie es der Name vermuten lässt:

Myriaden von Springschwänzen, Pilzen und Bakterien finden hier ihren Lebensraum und verwandeln totes Holz in fruchtbaren Waldboden. Daher ist die Bezeichnung „Totholz“ irreführend und man sollte treffender von „Biotopholz“ sprechen. Den je toter das Holz desto mehr Leben steckt in ihm!

Irgendwann keimt im Waldboden ein neuer Buchenschössling und der Kreislauf des Lebens dreht eine neue Runde.

Im Zeichen der Erdsterne

November: Wer Sterne sehen will, blickt gewöhnlich nach oben in die dunkle Unendlichkeit des Weltalls. Doch auch am Waldboden erfreuen – mit etwas Glück – Sterne den Spaziergänger. Ich rede hier von Erdsternen: auffällige Pilze, die nicht leuchten und an denen man nicht Gefahr läuft, sich die Finger zu verbrennen.

Ein ockerfarbener Pilz mit sieben sternförmig abstehenden Armen
Erdsterne sind auffällige Pilze
Foto: Jürgen Eggers

Im Bild der Gewimperte Erdstern (Geastrum fimbriatus)

Zur Arterhaltung fliegen aus der zentralen Pore mikroskopisch kleine Sporen möglichst weit durch die Luft. Dazu reicht bei trockener Witterung schon ein leichter Windzug. Aufprallende Regentropfen setzen ganze Sporenwolken frei.

In esoterischen Kreisen werden Erdsterne irgendwie mit der Aktivierung von Chakren und den dafür zuständigen Erzengel Sandalphon in Verbindung gebracht. Aber das ist eine ganz andere Geschichte …

Das Abenteuer-ABC

A für Ausrüstung » Mut, Offenheit und Neugier dabei?

B für Beobachtung » Geduld, Stille und ein scharfer Blick

E für Essen » Proviant dabei?

N für Neues » Motto: Jeden Tag etwas Neues lernen!

T für Tarnung » passende Kleidung? Oder entdecke ich auch getarnte Tiere?

E für East, West, South, North » auf Orientierung achten, Karte und Kompass dabei?

U für Untersuchung » etwas gefunden? Super! Genau anschauen und einprägen.

E für Entdeckung » ob ein oder mehrere Fundstücke, völlig egal, denn alles ist spannend!

R für Rückkehr » Schöne Erinnerungen eingepackt in den Rucksack des Gedächtnisses? Dann ist das Abenteuer perfekt!

Epilog

Nach den drei sehr trockenen Jahren fiel in diesem Jahr wieder ausreichend Regen, aber noch nicht genug, um die Bodenschichten der Wurzelbereiche der Bäume zu füllen.

Erdstern, Zipfelfalter und Co. – Fundstücke des Jahres 2021 (PDF 4 MB)

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